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Antonie Pannekoek Archives


Nationalbolschewismus in Deutschland 1918-1933 / Otto-Ernst Schüddekopf


Quelle: Nationalbolschewismus in Deutschland 1918-1933 / Otto-Ernst Schüddekopf . – Frankfurt, Berlin, Wien : Ullstein, 1973. – 576 S. – (Originaltitel: Linke Leute von Rechts : Die nationalrevolutionären Minderheiten und der Kommunismus in der Weimarer Republik, 1960). – S. 59-101, ohne die Anmerkungen


Der deutsche Nachkrieg 1918 bis 1924

Der Ursprung des Nationalbolschewismus

1907 hatte Karl Kautsky geschrieben, daß „ein Krieg zur Verteidigung der Freiheit der Nation, in dem bürgerlicher und proletarischer Patriotismus sich vereinigen könnten“, nirgends mehr zu erwarten sei. Die im deutschen Volk nach 1914 einsetzende geistige Auseinandersetzung mit der Frage des Verhältnisses von Nation und Sozialismus zeigte bald, daß diese Prognose voreilig gewesen war. Gewiß waren die Enthusiasmen rein nationaler Begriffe abgebraucht, „wirksam nur noch bei kleiner, klangloser Elite“. Alles schien nun darauf anzukommen, das nationale und das soziale Element miteinander in Deckung zu bringen, sie zu einer verpflichtenden Formel zu verschmelzen, zu erkennen und zu realisieren, „daß die nackte Existenz der Massen […], daß die ganze soziale Frage zusammenfällt mit der Freiheit der Natien“. Man glaubte, daß ein Versagen vor dieser Aufgabe, „uns nur den endgültigen Untergang bringen kann“. Helmut Franke notierte zur Zeit des Kapp-Putsches: ein politischer Funken, „den sozialen und nationalen Gedanken vereinend“, könne die Freikorps zur Tat bringen. In dieser zwielichtigen Stimmung entstanden „merkwürdige Regungen politischer Verzweiflung“, die sich mit denen der Kommunisten zu berühren schienen. Ihre Vertreter waren überzeugt, daß sich Deutschland „einem neuen revolutionären Daseinsprinzip zuwenden“ müsse.

Die Impulse, die diese geistige Bewegung aus dem geschichtlichen Raum empfing, war einmal die russische Oktoberrevolution; hierzu werden wir zwei wichtige Beispiele gleich kennenlernen. Dann kamen die deutsche Revolution und die Niederlage; beide wurden hingenommen, man bekannte sich sogar zu ihnen, wie wir sahen. Erst der dritte Schock, Versailles und dessen Annahme, sollte die Atmosphäre vergiften und endgültig den Antrieb für radikale Lösungen liefern. Niederlage wie Revolution hatten nur gemahnt, „die notwendigen Reformen vorzunehmen. Nach außen könne man nur militärisch und diplomatisch festhalten, was festzuhalten sei“. Versailles aber schien nun jedes Festhaltenwollen von vornherein zur Farce zu machen und statt dessen auf radikale Lösungen zu drängen. „Der Zustand unheimlicher sozialer Unruhe ließ sich als gefährliche Waffe gegen die Diktate übermütiger Sieger ausspielen.“ Ein Befreiungskampf wurde nur bei völliger Einheit der Nation als möglich angesehen. So stellten die Nationalisten den Klassenkampf auf nationaler Grundlage in Rechnung als Kampf der östlichen jungen Völker mit den westlichen. Der Kommunist aber, der vom zu erobernden Vaterland spreche, schien zu fürchten, „daß dies die Keimzelle des Nationalismus auch im deutschen Proletariat ist“. Das berührt einen wichtigen Punkt und Gegenstand unerschöpflicher Diskussionen zwischen Nationalisten und Kornmunisten bis 1933.

Die Nationalisten forderten das Nein zu Versailles und mußten erkennen, daß dies weitreichende Konsequenzen gehabt hätte: eine grundlegende politische und wirtschaftliche Umwälzung, Besetzung weiter Gebiete durch die Alliierten, bolschewistische Zustände in den übrigen Teilen des Landes, Bündnis mit der Sowjetunion und revolutionären Volkskriegs. Damit gelangte man zu der Einsicht, die Graf Brockdorff-Rantzau früh gewonnen hatte: die Ablehnung von Versailles bedingte das Ja zur zweiten, zur sozialistischen Revolution. Völlig andere weltpolitische Möglichkeiten hätten sich so ergeben können: die russische Revolution wäre ganz anders verlaufen – wie das auch Lenin stets erhofft hatte – und die stalinistische Verhärtung zu einem russischen Imperialismus vielleicht dann vermieden worden, Deutschland hätte seine Weltstellung befestigen können ohne blindwütigen Rückgriff auf einen zweiten Weltkrieg, Gewiß sind das Spekulationen, „aber sie liegen nahe“ und zeigen die hinter der nationalbolschewistischen – und in diesem Falle auch kommunistischen – Ideologie liegenden praktischen Konsequenzen. Es kam nicht zu diesem Gewiß in vieler Hinsicht bedenklichen, mit dem Mut der Verzweiflung überkühn gedachten Experiment, vielmehr rettete das Reich durch seine Entscheidung gegen den Osten und gegen die Revolution „den europäischen Westen in seiner bürgerlichen Gesellschaftsordnung“.

Das Epochenjahr 1917 war auch das Geburtsjahr des deutschen Nationalbolschewismus, der dann bis 1933 im politischen Denken Deutschlands eine nicht unerhebliche Rolle spielen sollte. Damals verschob sich das revolutionäre Zentrum nach Osten und die Deutschen erlebten mitten im Krieg nach langem wieder „die Macht und Größe einer universalen Idee“. Schon im August 1917 hatte Fritz Wolffheim, einer der beiden Führer des Hamburger Nationalkommunismus, im Felde eine Flugschrift verfaßt: „Gedanken zur russischen Revolution“. In ihr steilte er den Rätegedanken als kommendes Organisationsprinzip auf, von Anfang an im Gegensatz zu den Diktaturgelüsten einer Revolutionselite.

Im Frühjahr 1918 zirkulierte dann in sozialistischen Kreisen die vervielfältigte Schrift von Ernst Niekisch „Licht aus dem Osten“. Angeregt war er zu ihr durch den Frieden von Brest-Litowsk, den er als übermütige Verblendung Deutschlands und zugleich als das russische Wunder ansah wie den Tod der Zarin 1762 für König Friedrich von Preußen. Niekisch erwartete damals in Deutschland eine ähnliche Revolution wie die russische vom Oktober 1917, an die Deutschland sich anschließen müsse.

Heinrich Laufenberg und Fritz Wolffheim, die am 6. 11. 1918 auf einer Massenversammlung auf dem Heiligengeistfeld die Revolution in Hamburg auslösten, beabsichtigten die großdeutsche sozialistische Räterepublik zu schaffen. Die sofortige Organisation der nationalen Verteidigung mit revolutionären Mitteln und das Bündnis mit Rußland sollten die Revolution gegen die imperialistische Entente sichern. Dieser Plan wurde von Anfang an durch starke Widerstände innerhalb der spartakistischen Bewegung verhindert. Bereits auf der Konferenz aller revolutionären Gruppen in Hamburg am 7. 10. 1918 hatten die Hamburger den sofortigen Übergang der Revolution in den revolutionären Volkskrieg gefordert. Pazifistische und international gerichtete sozialistische Strömungen innerhalb des Spartakusbundes verhinderten das. So fanden zehn Tage nach dem Hamburger Aufstand die ersten Besprechungen zwischen Wolffheim und nationalistischen Schriftstellern statt. Diese ersten Kontakte waren die Geburtsstunde des praktischen Nationalbolschewismus, wenn sie auch zunächst ohne sichtbare Konsequenzen blieben.

Das Wort „Nationalbolschewismus“ entstand dabei verhältnismäßig spät; es wurde von Karl Radek im Herbst 1919 nach dem Heidelberger Parteitag der k.p.d. geprägt, als der linke, anarcho-syndikalistische Flügel der Partei unter Führung der Berliner (Wendel) – und Hamburger (Laufenberg, Wolffheim) – Richtung sich trennte und sich als Kommunistische Arbeiter-Partei (k.a.p.d.) konstituierte. Damals schrieb Radek seine berühmte Broschüre gegen den Hamburger National-Bolschewismus. Der Begriff wurde von der bürgerlichen Presse sofort im negativen Sinne verwendet, von Anhängern der Richtung – aber auch solchen im bürgerlichen Lager – als Kennzeichen ihres Wollens in Anspruch genommen.

Politische Bestrebungen einer Richtung, die man als national-kommunistisch bezeichnen könnte, waren lange vor der Prägung des Begriffes aufgetreten. Man könnte in der Neuzeit mit der Lyoner Instruktion von Joseph Fouché und Collet d’Herbois des Jahres 1793 beginnen, die in unheimlicher Leidenschaftlichkeit den Enthusiasmus für die nationale Freiheit mit radikalstem Kommunismus mischt: die Nation ist die Masse des arbeitenden Volkes, die das Vaterland verteidigt; sie schützt damit zugleich die vollkommene, die „integrale“ Revolution. Alles Leben müsse daher völlig „neuartig“ sein. Man möchte dann weiterhin an gewisse Züge bei Bismarck denken, die ihn unbedenklich mit dem Gedanken spielen ließen, „auch revolutionäre Nationalbewegungen gegen unsere Feinde“ zu verwenden und die ihn seine Gespräche mit Lassalle vom Sommer 1863 über das preußische Königtum als den „naturlichen Träger einer sozialen Diktatur“ führen ließen. Damit haben wir die Entstehung der „Ideen von 1914“ erreicht, da als Exponenten nationaler Machtentfaltung „die deutsche Krone und die Arbeiterklasse“ übriggeblieben waren. Die nächste Etappe waren die vielfältigen, bereits besprochenen Erwägungen im Spätsommer und Herbst 1918, durch den Aufruf zum revolutionären Volkskrieg die Bildung eines militärischen Volkskommissariats und die Beendigung des Kampfes mit der Sowjetunion, statt des Bankerotts die Liquidation durchzuführen. Ende Oktober 1918 versandte Richard Dehmel seinen Aufruf „Einzige Rettung“ an die führenden Zeitungen im Reich. Er forderte die sofortige Aufstellung eines Freiwilligenheeres, den Verzicht der Offiziere auf alle Vorrechte. Die Aktion versandete: viele Zeitungen – wie die Frankfurter – lehnten den Nachdruck ab, Käthe Kollwitz erließ ihren bekannten Gegenaufruf: „Genug, genug! … Saatkorn darf nicht vermahlen werden … “, und die vorgesetzte militärische Dienststelle erteilte Dehmel einen strengen Verweis, so daß er seinen Abschied nahm. „Anständigerweise kann man eigentlich bloß noch zwischen Liebknecht und Graf Reventlow wählen. Na, ich ziehe vor, mich sub specie aeterni für alle beide zu entscheiden“, schrieb er daraufhin an Julius Bab. Ihm schwebte nun vor, „die revolutionäre Bewegung selber zur Fortführung des Krieges zu benutzen, gerade im Sinne einer internationalen Befreiung der Arbeitermassen von der Kapitalmacht“. Er äußerte geradezu angesichts des Chaos der Revolution und des Versagens der alten Mächte: „Dann lieber Bolschewismus!“ Seine nationalbolschewistischen Tendenzen und Aufrufe fanden nur bei einigen Vertretern von Spartakus in Hamburg Interesse, Verhandlungen führten aber zu nichts.

Daß derartige Erwägungen auf spartakistischer Seite durchaus nicht vereinzelt und ungewöhnlich waren, zeigt die Zeitschrift „Arbeiterpolitik“ der Bremer Richtung unter Johann Knief, die in Deutschland während des Krieges über Radek Lenin am nächsten stand. Frühzeitig schloß sie sich der Gruppe Internationale und dem daraus hervorgehenden Spartakusbund an. Von Anfang an, noch vor der Revolution, trat die „Arbeiterpolitik“ für eine starke Rote Armee ein, interessierte sie sich für Nationalitätenfragen; mit Zustimmung brachte man Lenins Verteidigung des Selbstbestimmungsrechtes der Nationen gegen Radek. „Die nationale Frage wird noch eine große Rolle in der Geschichte der europäischen Revolution spielen.“ Das Proletariat dürfe aber niemals „den allgemeinen Charakter der bürgerlichen antiproletarischen nationalen Bestrebungen vergessen“, auch wo sie vorübergehend einen antiimperialistischen Ton annähme. Die „Arbeiterpolitik“ brachte auch den effenen Brief Radeks an Scheidemann vom 21. 10. 1918 (Prawda), mit dem Bündnisangebot an die deutsche Arbeiterklasse im Kampf gegen den Weltimperialismus.

Auf die Nachricht vom Beginn der Waffenstillstandsverhandlungen schrieb Knief aus dem Gefängnis, nun werde man beratschlagen, „wie sich das Fell des Proletariats am besten wird verteilen lassen“. Die deutsche Verfassung müßte aufgehoben werden, um Wilson zu zwingen, „mit den deutschen Bolschewisten zu verhandeln“. Liebknecht würde damit die Bewegung auch im Westen vorantreiben und so die russische Revolution retten. Am 30. 11. 1918 erschien dann ein Artikel Kniefs in der „Arbeiterpolitik“: „Die Entente und die deutsche Arbeiterklasse, der als nationalbolschewistisch anzusprechen ist. Der Verfasser gibt einleitend einen Überblick über den Stand der sozialistischen Bewegung und die weltpolitische Lage: der Zusammenbruch des deutschen Imperialismus bedeute seine Auslieferung an die Entente, an die „amerikanischen Finanztiger“. Damit habe die deutsche Arbeiterklasse die Aufgabe, sich in ihrer proletarischen Politik zu orientieren, denn die Entente stelle sich schon jetzt auf die Niederwerfung der selbständigen deutschen Arbeiterbewegung um. Das liege im Rahmen der amerikanischen Politik, ein beruhigtes und geordnetes Europa zu wissen, um frei zu sein für die kommende Auseinandersetzung mit Japan in China. Europa ist dabei der Vasall der Vereinigten Staaten. „Nur das revolutionäre Rußland ist noch ungebrochen. Es ist der Todfeind der Entente.“ Die u.s.a. müssen daher ein Überspringen des Funkens der Revolution auf Europa und insbesondere auf das zerrüttete Deutschland möglichst verhindern. Damit sei der deutschen Arbeiterklasse ihr Weg vorgeschrieben: jede Annäherung an den Westen verbiete sich, selbst die Annahme von Lebensmittellieferungen, da sie die Abhängigkeit von den westlichen Räubern bedeute. „Nur im revolutionären Kampf, nur im Bund mit dem bolschewistischen Rußland kann das deutsche Proletariat der Entente Schwierigkeiten entgegensetzen in ihrem Streben, die Oberherrschaft in Europa zum Einfall in das Innere Asiens und den fernen Orient auszunutzen.“ Ein fortgesetzt revolutionierendes Europa mache es der Entente unmöglich, eine feste Basis für ihre Operationen zu gewinnen. Gemeinsam mit der Sowjetunion müsse die deutsche Arbeiterklasse den Wall gegen die Entente aufrichten, hinter dem das Friedenswerk des Kommunismus begonnen werden könne. Wenn man dies es Programm als national-kommunistisch bezeichnen kann – wir werden die gleichen Formeln 1923 bei Kniefs Genossen Karl Radek antreffen –, so kann man ähnliche national-bolschewistische Tendenzen von rechts als bürgerlich bezeichnen. Deren Sozialismus war als Rettung des Nationalismus gedacht, wie umgekehrt die Kommunisten das Nationale erst im Angesicht der Niederlage und des schroffen Verhaltens der Entente zu würdigen lernten. Was den bürgerlichen Nationalbolschewismus betraf, so hatte Carl Otten 1919 nicht ganz zu Unrecht erklärt: „Der Kommunismus ist des Deutschen Überwindung […] Flugs wird deutsche Haut mit kommunistischem Regenmantel bedeckt.“ Aber wenn man nur an Taktik, Anpassung oder Schockwirkung denken wollte, würde man sich die Beurteilung doch zu einfach machen. Daß sich Extreme berühren, ist eine alte politische Weisheit. Als Moeller van den Bruck im März 1919 die Formel: Sozialisierung ist Nationalisierung, aufgriff, entsprach das einem weitverbreiteten Gefühl im deutschen Volk von rechts bis links, und er konnte hinzufügen: „Es ist das Wesen von Grenzen, daß sie sich berühren.“ Er wenigstens konnte sich darauf berufen, schon 1906 die nationale empirische Lösung des Sozialismus statt der experimentellen internationalen gefordert zu haben „derart, daß die soziale Frage dadurch für ein Volk beantwortet wird, daß seine nationale Frage ihre Beantwortung findet“. Die Kongruenz menschlichen Verhaltens im Konservativismus und Sozialismus als menschlicher Grundhaltungen liegt dem zugrunde. Moeller gebrauchte hierfür 1923 den Begriff „nationalsozialistische“, ohne dabei für die von ihm so benannte Elite von rechts und links damit eine parteipolitische Bindung anzunehmen. Wenn er der Arbeiterschaft vorwarf – wie wir sahen –, die Revolution unfertig fallen gelassen zu haben, so klagte er das Bürgertum an, einen sinnlosen und aussichtslosen Kampf zugleich gegen die Entente und das eigene Proletariat zu führen (24. 4. 1922). Aus dieser Erkenntnis und, was nicht gering veranschlagt werden soll, aus dem Fronterlebnis fanden viele Nationalisten, ehemalige Offiziere und Freikorpskämpfer zum Sozialismus. Andererseits war die Mitteilung der Waffenstillstands- und Friedensbedingungen „wie ein fürchterlicher Schlag aufs Bewußtsein der Arbeiterschaft“ gefallen. Hatte man vor 1914 allenfalls geäußert: „wären die Sozialdemokraten wenigstens national!“, so mißtraute man ihnen nach 1918, weil sie nach Westen schielten und darüber versäumten, aus der Revolution, die sie als Krieg für Deutschland hätten aufnehmen müssen, wieder neue Bindungen zu schaffen. Die Offiziere hielten aber in ihren besten, aktivsten Elementen auch strenge Selbstkritik und sahen ein, daß sie, wollten sie Führungsschicht bleiben, „erst einmal kühn die Klassenschranken überschreiten“ müßten. Die führenden Vertreter des Kapp-Putsches erschienen den Ehrhardtleuten bald als „bürgerliche Gegenrevolutionäre“, mit denen sie nichts zu tun haben wollten. Da man aber in der Republik die energische, zielbewußte Führung vermißte, trat man für das Bündnis zwischen Offizier und Arbeiter in einer Sozialdiktatur ein (Mai 1920). Sicherlich hatten diese ersten nationalistischen Sozialprogramme stark faschistische Züge, da sie im Grunde nur einen vom Staat überwachten Trust-Kapitalismus, den sogenannten „Sozialkapitalismus“ vorsahen. Aber es klangen auch innerpolitisch (strenge Wuchergesetze, hohe Luxussteuern, beschleunigte Siedlung, Kleinaktie), noch mehr ab er außenpolitisch neue Töne an. „Wir werden Rußland wirtschaftlich stützen, Rußland wird uns politisch helfen.“ Für nationale Motive auch beim Gegner war man nicht unempfindlich und nahm sie ernst. Den polnischen Aufstand in Posen 1918 erlebte man „mit einem Gefühl des Neides über diese Erhebung, die national war. Hier warf man die Waffen nicht weg, sondern hob sie auf.“ Und die Werbung der Kommunisten unter Kapp-Offizieren für den Ruhrkampf (März/April 1920) war durchaus nicht ohne jeden Erfolg, stieß zumindest nicht auf unbedingte ideologische Ablehnung.

1919/20 erschienen nun von Vertretern des nationalen Bürgertums mehrere Schriften, die sich für ein Zusammengehen mit Kommunismus und Sowjetunion, wenn nicht gar für die „Bolschewisierung“ Deutschlands aussprachen. Eine der ersten war die von Paul Eltzbacher „Der Bolschewismus und die deutsche Zukunft“. Er begann mit einer eingehenden Analyse des Vertrages von Versailles und seiner Auswirkungen ganz im Sinne des Grafen Brockdorff-Rantzau. Aber im Gegensatz zu ihm, der nur ein Zusammengehen – und nicht einmal ein militärisches – mit der Sowjetunion wollte, schlug Eltzbacher die vollständige Bolschewisierung Deutschlands als Mittel vor, um Versailles abzuwenden; in dem Radikalismus seiner Gesinnung erinnerte er an Stein und Gneisenau nach 1807. Das Reich müsse nicht nur schwächlich mit dem Bolschewismus drohen, da dies ohne Wirkung auf die Entente sei, sondern jetzt „müssen wir uns ihm hingeben“, das heißt das Rätesystem einführen und ohne Entschädigung sozialisieren. Damit erlange Deutschland wieder den Anschluß an Rußland; für diesen Gewinn müsse man den Bolschewismus schon in Kauf nehmen, da ein Sturz dieses Regimes unwahrscheinlich sei. Außerdem sei ein bolschewistisches Rußland viel günstiger für Deutschland als ein kapitalistisches; auf den Zusammenbruch zu warten, sei „Politik der versäumten Gelegenheiten“. Darüber hinaus sei ein deutsch-russisches Bündnis die Voraussetzung einer europäischen Arbeiterföderation gegen die erdrückende anglo-amerikanische Seeherrschaft. Obendrein wäre das Reich damit die Polengefahr los, und es bestände Aussicht, das linke Rheinufer zu halten. Der Bolschewismus sei „auch im schlimmsten Falle nur ein Fieber, von dem wir wieder genesen werden.“

Diese Vorschläge Eltzbachers lösten eine heftige Diskussion im Bürgertum aus und wirkten lange nach. Am kritisch sten war Heinz Fenner in seiner Antwort an Eltzbacher vom Juli 1919. Die Polemik Fenners verliert sich aber in viele unwesentliche Einzelheiten, hinter der nur immer wieder doch die Übereinstimmung im Grundsätzlichen zutage tritt: die Bewunderung für die Energie und Konsequenz des militanten Bolschewismus, auch für die nationalen Interessen Rußlands, und der Wunsch, in Deutschland etwas Entsprechendes ohne die Auswüchse und Fehlgriffe des Bolschewismus wachsen zu sehen. Fenner dachte nur im Gegensatz zu Eltzbacher skeptisch über die Möglichkeit eines Widerstandes gegen die Entente und die Wirksamkeit russischer Hilfe. Selbst wenn im Reich der Bolschewismus als „das Werk einer kühnen und starken Minderheit“ einziehe, käme es nur zum Bürgerkrieg, den wiederum die Westmächte und Polen zu neuem, Größeren Länderraub benutzen würden. Die Sorge vor einer zweiten Teilung Deutschlands spielte damals in nationalen Kreisen eine bedeutende Rolle. Die Bolschewisierung des Reiches wäre wohl sicher ein harter Schlag für die Entente, aber ohne Nutzen für Deutschland. Ohne die Möglichkeit, im Westen eine starke Front zu bilden, sei „Ententisierung“ der Wirtschaft nicht zu verhindern. Fenner sprach sich für Abwarten, Fühlungsaufnahme zu allen ententefeindlichen russischen Gruppen und Vorbereiten wirtschafts- und außenpolitischer Beziehungen zu Rußland in absehbarer Zeit aus. So vorsichtig sich Fenner auch ausdrückte, gehörte er offensichtlich doch zu den Anhängern der englandfeindlichen Ostorientierung, nur wollte er das Reich nicht mit einem kranken Rußland verbinden und abwarten, „welches Rußland denn von festem Bestande sein wird“.

Als General von Lettow-Vorbeck am 1. Juli 1919 mit seinen Truppen in Hamburg einrückte, ergaben sich bestimmte Verbindungen seiner Offiziere mit Nationalkommunisten. Damals richtete Justizrat Fritz Krüpfgantz in einem offenen Brief an den General den Appell, sich ohne Ressentiments über die Stellungnahme des deutschen Volkes zu Kommunismus und Bolschewismus klar zu werden. Krüpfgantz war vor allem von dem Bündnis Moskaus mit den Völkern Asiens und Afrikas in ihrem nationalen Befreiungskampf beeindruckt. Wenn Deutschland sich dieser Bewegung anschließe, könne es den Kampf in Mitteleuropa für den Kommunismus entscheiden. Dies sei Aufgabe des Zusammengehens zwischen der Arbeiterschaft und dem Offizierskorps. Wenn sich das Volk in seiner Mehrheit zum Kommunismus bekenne, werde er sich ohne Schrecken durchsetzen. Auf diese Notwendigkeit hatte auch Penner verwiesen. Krüpfgantz betonte dabei den Unterschied zwischen der k.p.d. (Spartakusbund) und dem „Bund der Kommunisten“ in Hamburg, für die er offensichtlich warb, wie auch für deren wirtschaftliches Programm im Sinne der „Gemeinwirtschaft“ von Silvio Gesell. Die Gefahr sei bedeutend, da Deutschland selbst gegen Polen waffenlos sei, die Rote Armee aber an der Ostgrenze stehe; sie „werde diese überschreiten, ohne daß Deutschland weiß, was es will und kann“. In diesem Augenblick forderte der Verfasser den General zu einer entscheidenden Tat auf, die alle von ihm erwarteten, die begriffen hätten, „daß der deutsche Kommunismus eine Angelegenheit ist, die das ganze Volk berührt“.

Ähnliche nationalkommunistische und syndikalistische Gedanken vertrat im Frühjahr 1920 Josef Viera in seinem Weckruf an den deutschen Michel: „Nationaler Kommunismus, Deutschlands Bollwerk gegen Ost und West.“ Er wandte sich aus völkischen Motiven scharf gegen den russischen Bolschewismus, den aber kein „Intellektualist und Bourgeois“ aufhalten könne. Das deutsche Volk als Ganzes müsse eine nationalkommunistische Lawine werden, die Viera „Michelismus“ nannte, worunter er sich ein Gemisch von Genossenschaftskommune, Gütergemeinschaft, Reagrarisierung Deutschlands, Siedlungsbewegung und Abkehr von der Geldwirtschaft vorstellte. Diese im urchristlich-anarchischen Sinne gemeinte kommunistische Bewegung sollte rein national sein. Außenpolitische Erwägungen oder gar ein Bündnis mit der Sowjetunion werden nicht vorgetragen.

Roland Henn ging in einem Vortrag vom Mai 1920 „Deutschland – Rußland“ von der Tatsache aus, daß zur Zeit zwei Ideen das deutsche Volk beherrschten: der Nationalismus und der Kommunismus. Der entscheidende Kampf werde zwischen ihnen beiden ausgetragen werden daß jetzt ehemals zaristische Offiziere nach Rußland zurückkehrten, liege daran, „daß der russische Bolschewismus tatsächlich national geworden ist“. Die Schrift ist während des russisch-polnischen Krieges entstanden. Der Verfasser sieht im Vordringen der Roten Armee eine große Gefahr, da sie an der deutschen Ostgrenze nicht halt machen werde. Da bleibt die einzige Möglichkeit, Rußland schon jetzt „an Deutschland zu interessierene, schon um ähnliche englische Versuche bereits im Anfang auszuschalten. Deutschland und Rußland müßten wirtschaftlich und machtpolitisch zu einem Block zusammengeschweißt werden, um das europäische Gleichgewicht wiederherzustellen. Er werde dann zu einem gewaltigen Instrument für Deutschlands Befreiung von Versailles. „Nur auf diesem Wege wird das Vaterland wieder frei!“ Henn betrachtet das Problem rein außenpolitisch und rechnet als dritten Partner im Sinne der Tirpitzschen Konzeption Japan hinzu, um den angelsächsischen Seemächten und Frankreich entgegenwirken zu können. Wichtig für ihn ist nur, daß Rußland ein „Ordnungsstaat“ ist; das könne es auch unter Lenin/Trotzki sein.

Andere politische Schriftsteller urteilten ähnlich, wenn auch bei den einen mehr der innerpolitische Aspekt, bei anderen die außenpolitischen Fragen das Urteil bestimmten. Oft wurden der politischen Phantasie kaum Zügel angelegt: so meinten Winter und Radowitz 1920, „rein außenpolitisch“ scheine für ein deutsch-russisches Bündnis kein Hindernis zu bestehen. „Der Bolschewismus ist der Speer, die Uneinigkeit der Entente der Schild, mit dem wir kämpfen müssen […] Rußland wird gern seine ungeheueren Bestände an Waffen und Kriegsmaterial an den gut zahlenden Käufer (und Nachbarn) Deutschland abgeben“. Innerpolitisch viel scharfer urteilte 1921 Karl Brenner: die s.p.d. habe zusammen mit der Bourgeoisie aus Angst vor dem revolutionären Teil der deutschen Arbeiterschaft das Reich an die Entente ausgeliefert. Die Hoffnung auf die spätere Amnestie der Entente und die Hilfe Amerikas habe sich jedoch als Irrtum erwiesen. Brenner erkannte aber recht klar: „Mögen einzelne Personen aus der bürgerlichen Klasse, vor die Wahl gestellt: mit den Schiebern oder mit der Arbeiterklasse, vor die Wahl gestellt: Kapitulation vor dem kapitalistischen Ausland, Untergang Deutschlands und seine Verwandlung in eine fremde Kolonie, oder Arbeiterregierung, sich für das Proletariat entscheiden. Daß es keine bürgerliche Partei gibt, die sich dafür entscheiden würde, unterliegt nicht dem geringsten Zweifel.“

Darin sollte die innerpolitische Entwicklung bis 1933 Brenner recht geben; über das Gewinnen von Einzelpersönlichkeiten kann man eigentlich auf beiden Seiten nicht hinaus. Wir werden jetzt eine Bewegung von Größerem Umfang kennenlernen, die diese These zu widerlegen scheint: den Hamburger Nationalkommunismus. Aber dessen Stärke lag nur in der zeitweiligen Richtungslosigkeit der k.p.d. durch den Tod ihrer Führer im Januar 1919 und darin, daß er sich auf ein starkes anarcho-syndikalistisches Element in der deutschen Arbeiterschaft stützen konnte. Als sich nach der endgültigen Annahme von Versailles und der Spaltung der k.p.d. im Herbst 1919 die nationalistische Erregung legte, die rein sozialistischen Tendenzen sich wieder eindeutiger durchzusetzen begannen, wurden für die Hamburger Richtung die Verbindungen nach ganz rechts nur zur Belastung. Jetzt mußten sich ihre Führer, Laufenberg und Wolffheim entscheiden; sie taten dies, indem sie sich bereit zeigten, eher „die Arbeiterparteien zu zertrümmem als auf die Zusammenarbeit mit den nationalistischen Elementen im Lande und im Heer zu verzichten“. Damit mochten sie ihrer Konzeption treu sein, es beraubte sie aber jeder weiteren Massenwirkung und machte ihre fernere Tätigkeit zu einer sektiererischen.

Der Hamburger Nationalkommunismus

Als am 6. 11. 1918 in Wilhelmshaven die Revolution ohne Gegenwehr der Befehlshaber siegte, sagte der Abteilungskommandeur der II. Torpedodivision, Helmuth von Mücke, zu seinen Leuten, jetzt werde der Engländer angreifen, da die deutsche Marine zusammengebrochen sei. Darauf wurde ihm geantwortet: „Nein, das gibt's natürlich nicht. Wir haben nur die Überzeugung, daß der Krieg nutzlos lange ausgedehnt wird, und wollen ihn beenden. Wenn der Engländer kommen sollte, soll er sehen, was los ist. Dann würden wir sofort die Herren Offiziere bitten, das Kommando wieder zu übernehmen. Hier kommt kein Feind rein, Herr Kapitän-leutnant!“! Das ungefähr war die Stimmung, aus der heraus es zu der besonderen Erscheinung des Hamburger Nationalkommunismus kam, der für kurze Zeit die revolutionäre Entwicklung in Nordwestdeutschland zu bestimmen schien und die kommunistische Bewegung schwer erschütterte. Seine führenden Vertreter waren Heinrich Laufenbergs und Fritz Wolffheim. Unter den die Revolution in Hamburg auslösenden Kräften standen sie an erster Stelle und während der ersten Hälfte des Jahres 1919 beherrschten sie deren Entwicklung. Ihr Kampf mit Paul Levi um die Führung in der k.p.d. dauerte das ganze Jahr an. Sie waren die typischen Ideologen der Thesen von der zweiten Revolution, dem revolutionären Volkskrieg und dem Nationalkommunismus. Wie geistige Zwillingsbrüder schrieben sie schon während des Krieges ihre Broschüren und Flugblätter gemeinsam, so daß es außerordentlich schwierig ist, jeweils genau abzumessen, wo die eigene geistige Leistung des einen aufhört und die des anderen anfängt. Als Beispiel für die Revolutionssituation, in der politisch Rechts und Links mehr und mehr zusammenfielens, bilden sie aber beide eine geistige Einheit und müssen als solche behandelt und beurteilt werden, daß sie nicht allein standen, sondern starke Kräfte hinter sich sammelten, zeigt allein ein Bliek in die Hamburger Arbeiterpresses und beweisen die leidenschaftlichen Richtungskämpfe in der KPD. Die Geschichte der Kommunistischen Arbeiter-Partei (k.a.p.d.) ist ein Beweis mehr für die zeitweilige Stärke dieser nationalkommunistischen Strömungen. Die Proklamierung der Revolution am 6. 11. wurde von Wolffheim bewußt unter die beiden Leitideen des Sozialismus und der Nation gestellt. Man ging davon aus, daß „die Unabhängigkeit von Land und Volk die erste Voraussetzung für die Durchführung des Sozialismus sei“. Max Weber hatte bereits Ende 1918 angekündigt, daß bei Annexionen im deutschen Volk „auf eine Epoche von bloßem Ermüdungspazifismus jeder letzte Arbeiter, der das spürt, Chauvinist“ würde. „Der Völkerhaß in Permanenz, und die deutsche Irredenta mit allen dabei üblichen revolutionären Mitteln der Selbstbestimmung flammt auf.“ Ahnlich hatte Gustav Landauer in einem Gemisch von Furcht und Ablehnung am 4. 11. 1918 geschrieben: „Das Reich ist nun so umstellt, daß der wahnsinnige Versuch der ‚nationalen Verteidigung‘ kaum noch zu befürchten ist. Kommt es doch dazu, und also zu einer Besetzung der bayrischen Grenze, so werden die Bayern sicher Revolution machen und sich separieren.“

Der Ausgangspunkt der Aktivität war bei Kommunisten und Nationalkommunisten der gleiche: der Wille zur Eroberung der Macht für die Arbeiterklasse. „Die Arbeiter haben kein Vaterland. Man kann ihnen nicht nehmen, was sie nicht haben. Indem das Proletariat zunächst sich die politische Herrschaft erobern, sich zur nationalen Klasse erheben, sich selbst als Nation konstituieren muß, ist es selbst noch national, wenn auch keineswegs im Sinne der Bourgeoisie“, so stand es im kommunistischen Manifest vom Februar 1848 zu lesen. Es handelt sich mithin um zwei voneinander stark abweichende Arten des Nationalismus, die in revolutionären Situationen, wie 1917 in Rußland und 1918/19 in Deutschland, aufeinanderstießen. Die Frage war dann nur, ob beide wenigstens zeitweise miteinander kollaborieren, „ein Stück Wegs“ zusammengehen könnten. Es scheint, als habe Friedrich Engels sich die Machtübernahme durch die Arbeiterklasse so vorgestellt, daß sie im Verlaufe des von ihm erwarteten Weltkrieges die alte Regierungsgewalt absetzen und die revolutionäre Landesverteidigung an sich reißen würden. Lenin lehnte diese Prognose entschieden ab und hämmerte seinen Anhängern immer wieder die These ein: die sozialistische Bewegung müsse zuerst die Niederlage der eigenen Regierung herbeiführen, den auswärtigen Krieg in einen Bürgerkrieg umwandeln; jede Gleichsetzung eines nationalen, antiimperialistischen Kampfes mit dem imperialistischen bürgerlich-kapitalistischen Nationalismus hielt er für unstatthaft“. Er und seine Anhänger glaubten bis 1917, daß wenigstens in Europa die Zeit nationaler Revolutionen endgültig vorüber sei. Es sollte sich aber bald zeigen, daß Lenin durchaus nicht prinzipiell Gegner eines Nationalkrieges war. Als die proletarische Revolution in Europa ausbließ, und die Sowjetunion sich nach innen und außen wehren mußte, griff Lenin gezwungenermaßen auf seine Thesen vom Oktober 1915 zurück und propagierte das Bündnis mit den unterdrückten Kolonialvölkern Asiens und Afrikas und mit den sozialistischen Arbeiterbewegungen Europas, die er beide zum Aufstand anstacheln wollte. Aber auch jetzt noch lehnte er es ab, mit dem alten Machtapparat zu paktieren („Das Proletariat soll und muß diese Maschine zerbrechen“, 3. 4. 1917), oder gar ein Zweckbündnis mit bürgerlichen oder „sozialchauvinistischen“ Staaten zu schließen (These 11).

Die Wandlungen der sowjetischen Außenpolitik nach 1919 und die Beziehungen zu westlichen Mächten waren rein taktischer Natur und änderten die grundsätzliche Ablehnung nicht im geringsten. Wir werden sehen, daß Laufenberg und Wolffheim in ihren programmatischen Schriften den gleichen Standpunkt vertraten. Ihre Gegensätze zu Lenin und zur Komintern waren teils taktischer Art, teils lagen sie auf Gebieten, die mit unserem Thema nichts zu tun haben; insbesondere die Richtungskämpfe innerhalb der k.p.d. und nach dem Herbst 1919 die Wendung gegen sie waren in starkem Maße durch Machtansprüche und persönliche Differenzen bestimmt; sie hingen auch eng mit den Fragen des Verhältnisses zu den Gewerkschaften und der Beteiligung am Parlament und den Wahlen zusammen. Die Komintern bedauerte den Zusammenbruch der k.a.p.d. letztlich am meisten, da sie damit einen starken revolutionären Block in Deutschland einbüßte, dessen Verlust erst durch den Übertritt des linken Flügels der u.s.p.d. zur k.p.d. im Oktober 1920 ausgeglichen wurde. Auf die Dauer hätte die zentralistisch amtierende Komintern allerdings wohl auch nicht mit der k.a.p.d. arbeiten können, die in anarcho-syndikalistischer Tradition die Alleinherrschaft einer Partei, und sei es auch die eigene, ablehnte.

Die ersten systematisch-programmatischen Erklärungen des Hamburger Nationalkommunismus sind zwei Schriften von Laufenberg und Wolffheim vom April 1919. Sie verfochten darin entschieden die These von der notwendigen zweiten Revolution (oder: von der zweiten Phase der deutschen Revolution), die damals – wie wir sahen – in radikalen Rechts- und Linkskreisen stark vertreten wurde. Als erstes Ziel stellten auch sie auf: Ausschalten aller gegenrevolutionären Kräfte durch das Entmachten der Generalität, Bürokratie und des Großbürgertums, als den entscheidenden Stützen des Wilhelminischen Reicbes. Damit sei zugleich die Basis des Versailler Systems in Deutschland vernichtet, zu der die Autoren auch die s.p.d. wegen ihrer antisowjetischen, antisozialistischen und prowestlichen Haltung rechnen„.

Die Aufgabe der Revolution hätte es sein müssen, die Macht der Räte zu konsolidieren. Da die erste Welle das nicht vermocht habe müsse es nun geschehen. Die Räte hätten die Grundlage der gesamten Verwaltung zu bilden mit dem Zentralrat als Regierung. Diese Organisation der Nation beginne im Betrieb. „Die Betriebsräte werden zum Element der nationalen Sammlung, der nationalen Organisation, des nationalen Zusammenschlusses, weil sie das Grundelement, die Urzelle des Sozialismus sind, weil sie die Träger der Einheit der Arbeiterklasse sind.“ Die Klein- und Mittelbourgeoisie sei schon deswegen für die daraus resultierende Sozialisierung zu gewinnen, weil sie wirtschaftlich durch Versailles zugrunde gehe. Immer wieder weisen Laufenberg/Wolffheim auf die schwere Schuld der Verantwortlichen nach dem 9. 11. 1918 hin, es unterlassen zu haben, die Macht der Räte im Reich zu stabilisieren. Aus dem Rätesystem ergab sich als logische Folge die Wirtschaftsdemokratie als Lebensfunktion der Gesamtheit der Nation. Das Proletariat müsse sich im Existenzkampf der Nation wirtschaftlich unterordnen, politisch nicht. Hier konnte Laufenberg der Zustimmung der Nationalisten mit ihrer Vorstellung einer „Sozialdiktatur“ Gewiß sein, ebenso Gewiß wie der Ablehnung der Marxisten, die diese Trennung nur in der Theorie für möglich hielten. Für Laufenberg waren Nation und Produktionseinheit identisch. „Der Begriff des nationalen Staates ist nur ein fehlerhafter Ausdruck dafür, daß die staatliche Vereinigung der Menschen in einem großen Wirtschaftsgebiet zu einem wesentlichen Faktor der Produktion selbst geworden ist.“ Wirtschaftspolitisch waren die Hamburger Nationalkommunisten wohl von dem Gedanken Silvio Gesells von einer „Gemeinwirtschaft“ beeinflußt, wie sie während der Münchener Rätezeit angestrebt werden sollte. Ganz eindeutig lautet in diesem Sinne die Präambel zu der Programmatischen Erklärung des „Bundes der Kommunisten“ vom September 1920: er sei die Vereinigung der Kommunisten, „die sich die Errichtung der Weltwirtschaftskommune in der politischen Form der freien Vereinigung freier Völker auf der Grundlage der Selbstverwaltung der arbeitenden Massen zum Ziel gesetzt habe. Neben Lassalle berief man sich dabei ausdrücklich auf Karl Marx, der in seiner Schrift über die Kommune schrieb, diese habe die Einheit der Nation nicht brechen, sondern durch die Kommunalverfassung und die Vernichtung der schmarotzenden Staatsgewalt erst organisieren wollen. Moeller van den Bruck erinnerte noch 1923 „an die merkwürdigen kooperativen und syndikalistischen Vorstellungen“ der Revolutionszeit, als man das Wirtschaftsleben auf eine „mittelalterliche schwarmgeistige Grundlage“ stellen wollte.

Aus der Übernahme der vollziehenden Gewalt durch die in den Räten manifestierte Arbeiterschaft wäre konsequent die Notwendigkeit einer revolutionären Außenpolitik gefolgt, bevor noch die deutschen Truppen den Westen geräumt hätten. Parallel zur bedingungslosen Zertrümmerung des Wilhelminischen Systems auch im Heer hätte der Aufbau einer Roten Armee als eines fürchterlichen Gegners für die Entente gehen sollen. Die werktätigen Massen Frankreichs und Belgiens hätten aufgerufen werden müssen, sich mit den deutschen Arbeitern zu verbrüdern. „Nicht überstürzte und sinnlose Preisgabe aller Positionen, sondern revolutionärer Widerstand“, mithin volle Übereinstimmung mit Rathenau oder Dehmel. Die Ziele dies er deutschen Revolution sollten „großdeutsch“ im Sinne von 1848 sein, also den Anschluß Deutsch-Österreichs und weiterhin einen stärkeren Rückhalt am slawischen Osten suchen, gleichfalls eine Forderung der 1848er Revolution. Dazu gehörte in erster Linie die sofortige restlose Liquidierung des Krieges mit SowjetRußland und den Oststaaten. Wolffheim steilte ganz klar und eindeutig fest, daß ein revolutionärer Befreiungskampf unmöglich sei, bevor das Proletariat die Macht errungen und auch die Arbeiterschaft in den Ententeländern gesiegt habe. Sonst würde es dem Reich so gehen wie den Russen in Brest-Litowsk. Die Voraussetzung des Sieges der deutschen Revolution aber sei die Erweiterung der Basis durch das Bündnis mit der Sowjetunion, nachdem in Deutschland die Reste des imperialistisch-militaristischen Systems vernichtet seien. Die beiden Nationalkommunisten werden nicht müde, immer wieder das Zusammengehen mit der Sowjetunion auf der Grundlage des Austausches von Lebensmitteln Rohstoffen und Technikern zu fordern. „Die volle Kraft der Revolution gegen die bürgerliche Demokratie des Westens, Bündnis und wirtschaftlicher Ausgleich mit der Arbeiterrevolution des Ostens, das war in den Novembertagen das gegebene Ziel. Es war die einzig mögliche Politik vom Standpunkt der Revolution und es war damit auch die einzig mögliche Politik vom Standpunkt der Nation.“ Ob das möglich gewesen wäre, spielte in der Diskussion mit Radek um die Jahreswende 1919/20 eine bedeutende Rolle.

Bei diesen außenpolitischen Betrachtungen leitete Laufenberg der Plan, „im Bunde mit Rußland eine Weltpolitik größten Stils aufzunehmen und zu treiben“ (3. 6. 1919), die Vision eines „Weltbundes der kommunistischen Republik“ als Gegengewicht gegen den Weltbund der imperialistischen Staaten. „Vom Rhein bis zur Südsee ein proletarisches Reich!“ Das werde die Folge des dialektischen Umschlagens vom Weltkrieg zur Weltrevolution sein. Für das Maß an Weltgeltung, das ein Volk besitze, sei nicht mehr die Stärke seines Heeres ausschlaggebend, sondern die Größere oder geringere Konzentration an revolutionärer Kraft. Aber man rechnete doch bei aller Friedensbereitschaft der kommenden deutschen Räterepublik mit der Möglichkeit, daß Situationen eintreten könnten, die den revolutionären Verteidigungskrieg sogar im Zusammenhang mit einer militärischen Offensive erforderten; man dachte dabei etwa an revolutionäre Erhebungen in Elsaß-Lothringen oder den Rheinlanden, die man unmöglich ihrem Schicksal überlassen könne.

So empfand man frühzeitig die dringende Notwendigkeit einer revolutionären Armee. Die Frage, ob sie bereits im November 1918 zu schaffen war, sollte die Diskussion im kommunistischen Lager noch lange erhitzen. Theoretisch intensiv befaßte man sich aber erst 1919 mit diesem ernsten Problem. Entschieden wandte sich Laufenberg gegen die neuen Machthaber, wenn sie „den Heeresapparat wieder zusammenkitten“, „Es gilt die restlose Beseitigung des alten Heerwesens“, da es mit ein Repräsentant der alten Staatsmacht sei. Di0e s.p.d. aber übernehme einfach den Apparat der alten Klassenherrschaft; sie treibe eine Politik im Dienste derer, „die sie eines Tages beseitigen werden“.

Andererseits war man sich bald im klaren darüber, daß es in der Republik nur zwei wirkliche Machtfaktoren gab: die revolutionäre Arbeiterschaft und die Freikorps. Lag dann nicht der Gedanke nahe, „zu versuchen, den Kampf zwischen ihnen zu vermeiden und sie zusammen als Verbündete gegen einen gemeinsamen Feind kämpfen zu lassen?“ Dieser Gegner sei das Ententekapital. Die Freiwilligenarmee solle die nationale Sache als Kern einer Roten Armee retten und nicht weiterhin gegen die Arbeiter kämpfen. Für dieses Programm prägten die Nationalkommunisten den Begriff: revolutionärer Burgfrieden. Sie verstanden darunter das zeitweilige Zusammengehen des Proletariats mit dem nationalen Bürgertum im Interesse des revolutionären Befreiungskrieges gegen die Entente. Voraussetzung dafür war allerdings, „daß die Bourgeoisie die vom Proletariat vollzogene Machtergreifung rückhaltlos anerkennt“. Ahnlich wie die Sowjetregierung während des polnisch-russischen Krieges wollte man sich damit an „alle ehrlichen loyalen Bürger wenden“. (Aufrufe des Moskauer Zentralsowjets vom 9. 5. und 20. 7. 1920). Die Kritik Lenins und der ihm ergebenen k.p.d. sollte aber gerade an diesem Punkt einsetzen.

Wie stellten sich nun die Nationalkommunisten diese Rote Armee der deutschen Räterepublik vor? Die im Augenblick der Revolution bestehenden, aus der allgemeinen Wehrpflicht hervorgegangenen Truppen zeigten sich lediglich als Elemente der Zersetzung des bestehenden Systems, „zum Aufbau der neuen Ordnung erwiesen sie sich als durchaus ungeeignet“. Sie mußten daher vom Standpunkt der Revolution wie von dem der Gegenrevolution aus schleunigst aufgelöst werden. Das Volk verlange nun aber „die Kontrolle aller im Volk vorhandenen Machtmittel für sich selbst“. Das bewaffnete Volk sei die proletarische Diktatur. Die Entwaffnung der Bourgeoisie sei damit die Konstituierung des proletarischen Staates. Dann erst könne die Rote Armee geschaffen werden, um den in die Weltrevolution umgeschlagenen imperialistischen Krieg bis zur Entscheidung durchzukämpfen. Der organisatorische Unterschied bestehe nur darin, daß die Rote Armee „der alleinigen Kontrolle des in der Räteverfassung organisierten Proletariats“ unterstehe. Ideologisch werde man dabei an 1813 und Lassalle anknüpfen, in der Praxis ein enges Bündnis mit der Roten Armee der Sowjetunion herstellen. In diesen Programmpunkten besteht der größte Grad der Annäherung an die bürgerlichen Nationalbolschewisten, wie Eltzbacher und Hentig, die auf der Suche nach einem Carnot der deutschen Revolution alles von der Arbeiterschaft erhofften. „Der deutsche Carnot wird als einziger die Revolution ruhmvoll überleben.“

Die Schrift von Lindemann, zur Diskussion in Fachkreisen bestimmt, sollte die Grundlinien des Aufbaus eines revolutionären Heeres in einem konsolidierten Rätestaat zeichnen. Vorausgesetzt wird eine revolutionäre proletarische Republik im Sinne der Herrschaft der uneingeschränkten Volkssouveränität. Der Aufbau der Roten Armee beginne mit dem Zerschlagen der Kommandogewalt der alten herrschenden Schichten. „Das Volk in Waffen ist mithin erst möglich in der völkischen Organisation der klassenlosen Gesellschaft, die die proletarische Revolution vorbereitet.“ Das gerade führe zu einer Steigerung der militärischen Kraft. Die Revolution habe 1918 den Fehler gemacht, die „sich bildenden Keime der Selbstverwaltung in Volk und Heer zu zerbrechen“. Wieder wie 1807 müsse eine revolutionäre Philosophie eine neue Armee schaffen, was ohne Staat nicht möglich sei: revolutionäre Freischaren seien keine Rote Armee. Sie müsse, vom Betrieb ausgehend, föderalistisch aufgebaut werden, also ähnlich wie Trotzkis Arbeiterarmeen im russischen Bürgerkrieg. So kam man vom Betrieb über Ort – Bezirk – Korps – Land zum obersten Kommissariat für Heereswesen mit einem Volkskommissar. Dabei rechnete man mit der wirtschaftlichen und auch militärischen Angliederung vom Elsaß, Österreich, den Niederlanden und dem Baltikum. Wesentliche Mittel eines revolutionären Volkskrieges sah man im Kleinkrieg (Partisanen) und in der Organisation von Aufständen beim Gegner (Propaganda). In dem erwarteten zweiten Weltkrieg zwischen den Seemächten und dem mit Frankreich verbündeten Japan würde Deutschland die Rolle Belgiens von 1914/18 spielen müssen. Nur die deutsche Revolution könnte „die weiße Rasse vor der Uber flutung durch das asiatische Völkermeer bewahren“. Die Kampfparole der deutschen Revolutionsarmee müsse die Freiheit der Menschheit sein, analog der Französischen Revolution. Die Sowjetunion wird in dieser Schrift nur am Rande als Gegner des Völkerbundes erwähnt, ein Bündnis mit ihr nicht vorgeschlagen.

Gerade diese wehrpolitischen Vorschläge mußten der Diskussion mit radikalen nationalistischen Kreisen förderlich sein. Ein frühes Interesse des völkischen Grafen zu Reventlow ist bezeugt, der allerdings abwartend beiseite stand. Auch Wilhelm Stapels, des späteren christlich-konservativen, nationalen Politikers Kontakt zu dieser Zeit ist bekannt. Als im Juli&nsp;1919 die Truppen des Generals Lettow-Vorbeck in Hamburg lagen, entstanden gute Beziehungen zu dessen Offizieren durch Vermittlung der beiden Brüder Albrecht Erich und Gerhard Günther, die sich erst zurückzogen, als sie glaubten, nur zu kommunistischen Zielen mißbraucht zu werden zu sollen. Anfangs hatte in völkischen und nationalen Kreisen aber die Verzweiflungsstimmung bestanden: „Es hilft doch alles nichts, wir werden Bolschewisten, der Bolschewismus kommt doch, wir wollen versuchen, ihn in Deutschland zu nationalisieren und mit seiner Hilfe es zu retten.“ Das waren die Motive im Lager der extremen Rechten, die zu den engen Kontakten mit den Hamburger Nationalkommunisten führten; und gerade sie sollten von der k.p.d. und russischen Kommunisten wie Karl Radek und Fritz Sturm angegriffen werden, um die Richtung Laufenberg/Wolffheim zu zerschlagen. Die Verteidigung führte vor allem Karl Erler, der es ablehnte stets die russische Revolution und deren Verlauf als vorbildlich und beispielhaft für die revolutionäre Entwicklung in Deutschland hinzustellen. Es sei demgegenüber zu betonen, „daß die deutsche Revolution gemäß der inneren und äußeren Lage des Landes nach den Umständen handeln muß, unter denen sie sich befinden wird“. In der Sowjetunion versteifte sich die ideologische Haltung im Gegensatz zu Lenins ursprünglicher Auffassung immer mehr, je weniger Hilfe sie von außen erhielt. Der Ablauf der russischen Revolution wurde nun zum Vorbild, dem unbedingt entsprochen werden mußte. Laufenberg und Wolffheim hofften nur noch, daß es Lenin gelingen möge, „durch die dichten Schleier hindurchzublicken, die eine Sippe von Piraten der Revolution vor seinen Augen ausgebreitet hat“.

Der entscheidende Grund der scharfen russischen Kritik am deutschen Nationalkommunismus zum damaligen Zeitpunkt war wohl, daß die Sowjetunion mit einer Revolution in Deutschland nicht rechnete und zur Erleichterung ihrer Schwierigkeiten wirtschaftliche Kontakte zu den Westmächten anstrebte. An einem revolutionären Volkskrieg des deutschen Proletariats gegen die Entente konnte ihr zu der Zeit überhaupt nichts gelegen sein. Auf diese russische Neuorientierung – im Frühjahr 1920 begannen die englisch-russischen Wirtschaftsverhandlungen – wurde von Hamburg offen angespielt: „Auch der vom Genossen Struthahn ersehnte und durch die deutsche Politik für Rußland allerdings zu einer Lebensfrage gewordene modus vivendi mit England könnte der französischen und englischen Bourgeoisie ihr Vorgehen gegen Rätedeutschland nur erleichtern.“ Aber einen Termin dafür, wann diese deutsche Räterepublik kommen würde, vermochte niemand anzugeben, und so schienen die Russen gut beraten, wenn sie sich nicht ausschließlich darauf verließen. Es kommt aber wohl noch ein zweites Motiv der russischen Kritik hinzu, das von Lenin und Radek allerdings nicht offen ausgesprochen wurde: die Sorge vor einer zu selbständigen Entwicklung des deutschen Kommunismus, die das Schwergewicht in der internationalen revolutionären Bewegung von Rußland nach Deutschland hätte verlagern können. Wurden doch die Russen von den Hamburgern mit der Nase daraufgestoßen: „Denn der Sieg der deutschen Revolution und nicht die Handelsverbindung mit den anglo-sächsischen Ländern entscheidet über den Sieg des Sozialismus in Rußland und damit über das Schicksal der Sowjetrepublik. Die entschiedene Ablehnung der Dritten Internationale durch die Nationalkommunisten mußte bedenklich machen.

Die erste Entscheidung fiel am 21. 10. 1919 auf dem illegalen Heidelberger Parteitag der k.p.d., in dessen Verlauf eine geschlossene Opposition unter Laufenberg/Wolffheim gegen das Zentralkomitee unter Paul Levi auftrat. Die Parteizentrale kämpfte erbittert gegen den Hamburger Syndikalismus und Putschismus und siegte mit knapper Mehrheit (24 : 18). Laufenberg, Wolffheim, Otto Rühle (Dresden), Schröder, Wendel (Berlin) traten aus. Die am 3. 4. 1920 gegründete Kommunistische Arbeiterpartei Deutschlands (k.a.p.d.) hatte ihre Zentren in Berlin und Hamburg (Bezirk Nord unter Laufenberg/Wolffheim). Die Delegierten vertraten etwa 40 000 Mitglieder. Die k.p.d. erlitt schwere Verluste: von 107 000 organisierten Mitgliedern verlor sie die Hälfte; in Berlin blieben ihr von etwa 10 000 Mitgliedern nur wenige. Nur 500 Mann folgten der Aufforderung, in Berlin die k.p.d. neu aufzubauen. Diese Tatsachen lassen die Reaktion der Komintern – die noch besprochen wird – verständlich erscheinen; man verzichtete ungern auf die „prächtigen Revolutionäre“ der k.a.p.d., zumal sie die nationalkommunistischen Elemente auszuscheiden begann; dabei sollte bald darauf der Komintern auch diese Tendenz nicht unwillkommen sein, als wieder einmal die revolutionäre Offensivtaktik angewandt werden sollte.

Laufenberg und Wolffheim suchten diese Entwicklung sofort für sich auszunutzen. Zwar waren sie an der Gründung der k.a.p.d. nicht in erster Linie beteiligt, standen aber in der Hamburger Organisation mit an erster Stelle. Vor allem aber suchten sie die neue Partei ideologisch zu führen. Mit dem Datum des 1. 11. 1919 versehen, erschien unmittelbar nach dem Heidelberger Parteitag am 3. 11. in der kommunistischen Arbeiterzeitung, Hamburg, eine Beilage von Laufenberg und Wolffheim „im Auftrage der Ortsgruppe Hamburg“: „Revolutionärer Volkskrieg oder konterrevolutionärer Bürgerkrieg? Erste kommunistische Adresse an das deutsche Proletariat.“ Mit diesen Thesen sollte die aus der k.p.d. ausgeschiedene Opposition gesammelt werden, gleichzeitig wollte man auf nationalistische Kreise einwirken. Die außenpolitische Konzeption ist die gleiche wie in Lindemanns wehrpolitischer Schrift: im Kampf zwischen den Seemächten und Japan wird Frankreich mit seinen östlichen Trabanten gegen England eingreifen. Die Adresse wurde auf dem Höhepunkt der englisch-französischen Krise im Nahen und Mittleren Osten und der Kämpfe im Baltikum verfaßt. Dieser Krieg werde in der niederdeutschen Ebene ausgefochten werden, „mit oder ohne deutsche Neutralität“. Wie im 18. Jahrhundert die englische Seeherrschaft auf deutschem Boden erzwungen wurde, „so kann man Gedanken fassen, heute sie dort umgekehrt zu zertrümmern!“ Der weltweite englisch-französische Gegensatz werde zur Zeit nur noch durch den gemeinsamen Gegensatz gegen die Sowjetunion gelähmt. Aber wenn Rußland einmal besiegt werden sollte, „so wäre das Schicksal der einzigen Macht besiegelt, die Deutschland die Hand zu reichen vermag zur gemeinsamen Wiederaufrichtung“. Statt dessen treibe Deutschland eine aggressive Militärpolitik im Osten gemeinsam mit russischen Konterrevolutionären, gedeckt von „Kapriolen der Reichsregierung“. „Eine proletarische Politik hätte Verbindung und Bündnis mit Sowjetrußland sofort hergestellt, hätte durch straffen Ausbau der Räteherrschaft und weitgehende Sozialisierung der Wirtschaft die Kräfte des Landes wie zu einern ehernen, zum Schlage bereiten Hammer zusammengefaßt, um die volle Kraft der Revolution gegen die bürgerlichen Demokratien des Westens zu wenden, indem sie den revolutionären Widerstand organisierte, eine Rote Armee ins Leben rief und die soziale Revolution über die besetzten Länder hinweg bis unmittelbar an die Grenzen Frankreichs und Englands trug.“ Obwohl es die Proletarier gewesen seien, die der Revolution im November 1918 zum Sieg verholfen hätten, sei kein Versuch unternommen worden, „die revolutionäre Volkskraft zu organisieren“; statt dessen habe eine unwürdige Preisgabe auf allen Gebieten stattgefunden, „von bürgerlicher Feigheit und Ideenlosigkeit getragen“. Von vornherein sei versäumt worden, den einzig möglichen Bundesgenossen in dieser verzweifelten Situation zu gewinnen, die Sowjetunion. „Denn nur vom Osten her kann sich der Wiederaufbau Deutschlands vollziehen.“ Das Interesse an einer Verbindung mit dem kulturell und industriell hochstehenden Deutschland bestehe in einer kommunistischen Wirtschaft für die Völker des Ostens erst recht.

Das proletarisierte deutsche Volk müsse im dringenden Interesse der Gesamtheit so schnell wie möglich die zweite Revolution durchführen; die proletarische Diktatur, das Räteregiment, den Arbeiterstaat und die Rote Armee schaffen. Dann müsse sofort „das östliche Programm“ in Angriff genommen werden. Gleichzeitig wären Kontakte zu den Arbeitern des Westens aufzunehmen und der Wiederaufbau der zerstörten Gebiete in Frankreich und Belgien mit deutschen Arbeitskräften unter Kontrolle deutscher und und belgisch-französischer Arbeiterräte zuzusichern. Die für das Reich vorgeschlagene Räteorganisation entsprach den Prinzipien der altgermanischen Gemeinfreiheit nach Schweizer Muster und der Kommune, ging wie der Aufbau der Roten Armee von den Betrieben aus und endete über die Bezirks- und Territorialräte im Obersten Landesrat. Die Bauernschaft sollte unbeschadet der für später zurückgestellten Regelung der ländlichen Besitzverhältnisse aktiv eingeschaltet werden.

Die deutsche kommunistische Partei mußte sich von diesem Aktionsprogramm noch tiefer getroffen fühlen als die Komintern. Denn an der Loyalität der Hamburger Nationalkommunisten gegenüber Lenin und der Sowjetunion konnte nicht gezweifelt werden, ebensowenig aber an der entschiedenen Gegnerschaft zur k.p.d. und deren Führung. Karl Radek als Geburtshelfer dieser Partei mußte sich daher vor allem angegriffen fühlen. Er antwortete auch sofort mit einem scharfen Pamphlet, da sich eine Partei auf festem Boden scharf abgrenzen müsse. Radek polemisierte aber nicht nur in dem Bestreben, die der Komintern treu ergebene deutsche Partei zu retten – und damit seine beherrschende Stellung -, sondern auch um die bedrohte Situation der Sowjetunion nicht durch einen betont antiwestlichen Kurs einer selbständigen kommunistischen Bewegung in Deutschland noch mehr zu gefährden. Dies schien ihrn keine Illusion zu sein, denn die Interventionskriege ebbten ab und die englische Handelswelt zeigte sich an Geschäften mit der Sowjetunion interessiert. Erst wenn dieser Versuch, den Sozialismus in einem Lande zu organisieren und mit der westlich-kapitalistischen Welt in friedlicher Koexistenz zu leben, nicht gelingen sollte, dürfe man die revolutionäre Verteidigung organisieren. Wenn Laufenberg es für möglich halte, daß die deutsche Revolution 1918 auch nach außen revolutionär hätte auftreten können, so setze sich der „kleinbürgerliche Nationalist“ über Tatsachen hinweg. Radek wendet sich dann gegen die deutsche bürgerliche Presse, die behauptete, Laufenberg übernehme nur Radeks Programm vom Dezember 1918; er habe keinen Krieg gegen die Entente, sondern Zusammengehen mit der Sowjetunion gefordert, um Versailles zu vermeiden. Entscheidend für ihn war aber im Augenblick (Wende 1919/20) die Sorge, einen neuen Weltkrieg zu vermeiden, da er die deutschen militärischen Möglichkeiten zumal bei der Feindschaft Polens und der Schwäche Rußlands sehr gering einschätzte. Für möglich hielt Radek nur das Ansteigen der revolutionären Welle in Frankreich und die Stärkung der Sowjetunion, „so daß sie eventuell durch den Druck auf das nationalistische Polen ihm nicht erlaubt, Deutschland gegenüber die Rolle des französischen Hundes zu spielen“. Ein sehr vorsichtiges Auftreten einer kommenden deutschen Räterepublik sei um so notwendiger, „da im Gegensatz zur russischen die deutsche Räteregierung keinen Platz zu Rückzugsmanövern haben wird, da ohne ein Bündnis mit der polnischen Arbeiterklasse sie bei einer Besetzung des Ruhrgebietes durch die Franzosen ohne Munition und Kohle bleiben würde“. Eine nationalistische Politik der Ungeduld sei demgegenüber zwecklos. Radek rechnete im Augenblick fest mit dem Ansteigen der revolutionären Welle in Westeuropa und dem gleichzeitigen wirtschaftlichen Kontakt der Sowjetunion mit dem Westen. Laufenberg aber wirft er gleichzeitig vor, in Deutschland „einen Kompromiß mit der bankrotten Bourgeoisie“ anzustreben, läßt sich also bei der Beurteilung der revolutionären Situation in Deutschland ausschließlich von sowjetrussischen Interessen bestimmen. Wie sehr das rein russische Taktik war, zeigt seine spätere Zustimmung vom 9. 3. 1922 zu der Analyse, daß die Epoche des Waffenstillstandes in Europa die Zeit war, „in der die gefährlichste soziale Krankheit der zivilisierten Staaten reifte“, Zur Zeit der Konferenz von Genua war die Situation eben eine ganz andere und man fürchtete einen westlichen Plünderungszug nach Rußland, an dem sich Deutschland beteiligen mochte. Niekisch schreibt daher mit Recht, Radek habe 1919 den Nationalkommunismus nur deswegen als Opportunismus abtun können, „weil er sich über den deutschen Reifegrad für eine proletarische Revolution täuschte“. Da er dies tat, setzten er und die Komintern nach dem Abfall der k.a.p.d. alles in Bewegung, um die k.p.d. durch den Anschluß wenigstens des linken Flügels der u.s.p.d. zu einer proletarischen Massenpartei zu machen. Dabei konnten sie die Hamburger Nationalkommunisten natürlich nicht gebrauchen. Man wollte den revolutionären Massenkampf und lehnte lokale Ausbrüche als schädlich ab.

Auch von deutscher kommunistischer Seite wurde die Hamburger Richtung heftig als „alldeutscher Kommunismus“ angegriffen. Wohl hätten die Hamburger recht, mit der Feindschaft des westlichen Kapitalismus gegen eine deutsche Räterepublik zu rechnen, aber sie täten das in der Sprache des alldeutschen Professors Eltzbacher. „Aber jede Taktik hat ihre innere, zwangsläufige Konsequenz. Wer von nationalem Gesichtspunkt aus sich leiten läßt, kommt unwiderruflich in Gegensatz zu den proletarischen Interessen.“ Es sei ein verhängnisvoller Irrtum, einer ganz kleinen Schicht von Kapitalisten die Masse des proletarischen Volkes gegenüberzustellen. Das sei gleichbedeutend mit Einigung und Vertuschen der Gegensätze weit über die Grenze des Proletariats hinaus. Indem sich Laufenberg und Wolffheim den Anschein gäben, sie ständen links vom Proletariat, ständen sie tatsächlich rechts von Bernstein. „Sie sind Wirrköpfe, die die Arbeiterklasse ins syndikalisch-nationalistische Fahrwasser leiten wollen.“ Im Mai 1920 rechnete das z.k. der k.p.d. offiziell mit den Hamburgern in einem Aufsatz von August Thalheimer ab. Beherrscht von der Sorge, daß anderer Länder Imperialisten die deutschen Kommunisten als preußische Militaristen brandmarken würden, betonte Thalheimer, daß das nationale Interesse dem proletarischen untergeordnet bleiben müsse. Ein revolutionärer Krieg sei – das habe Ungarn eben bewiesen – mit dem alten Heer nicht möglich gewesen, – was die Hamburger auch nicht behauptet hatten –, und ein revolutionärer Krieg dürfe ausschließlich nur im Interesse des Proletariats und nicht der Nation stattfinden. Den revolutionären Offensivgeist der Französischen Revolution leitete Thalheimer vom kapitalistischen Geist der herrschenden bürgerlichen Schicht her; dieses kapitalistische Ausdehnungsbestreben entschwinde aber gerade in einer proletarischen Revolution. Man könne daher nicht die Prinzipien der bürgerlichen Revolution (wirtschaftliche Expansion, Nationalismus, Kolonialimperialismus) auf die proletarische einfach übertragen, wie dies der Nationalbolschewismus tue. Da die k.p.d. 1918 die revolutionär aktivste Bewegung gewesen sei, hätten sich in ihr auch alle aktiven nationalen und anarchischen Elemente gesammelt. Sie müßen jetzt diese „Schrullen“ abstoßen oder mitsamt ihren Konfusionen die Partei verlassen.

Die Krise der k.p.d. und ihre Spaltung Ende 1919 wurde von der Komintern für so schwerwiegend gehalten, daß Lenin selbst im April/Mai 1920 in die Diskussion mit dem Aufsatz über den linken Radikalismus als die Kinderkrankheit des Kommunismus eingriff. Er lehnte in dieser weltrevolutionären Situation jeden blinden, extremen Internationalismus ab. Es komme vielmehr darauf an, die Prinzipien des Kommunismus auf die besonderen nationalen und nationalstaatlichen Verschiedenheiten anzuwenden und sie dabei zweckentsprechend zu modifizieren. Es könne aber auch kein Zweifel darüber herrschen, daß die Sowjetunion zur Zeit das Vorbild für alle revolutionären Bewegungen sei. Strengste Disziplin und unbedingte Zentralisation seien erforderlich, um „die richtige revolutionäre Theorie“ anwenden zu können. Auch Lenin lehnte den „kleinbürgerlichen Revolutionarismus“ und Anarchismus ab und trat für die Mitarbeit der deutschen Kommunisten in den Gewerkschaften und Parlamenten ein. Eine grundsätzliche Ablehnung des Versailler Vertrages sei falsch. Lenin hält jede Taktik für verfehlt, die nicht zugebe, daß auch eine deutsche Räteregierung den Vertrag werde zeitweilig anerkennen müssen. Dies nicht zu tun, sei Dummheit, aber kein revolutionäres Verhalten. Es genüge nicht, „sich von den himmelschreienden Absurditäten des .Nationalbolschewismus (Laufenberg u.a.) loszusagen, der so weit gekommen ist, daß er sich – unter den gegenwärtigen Verhältnissen der internationalen proletarischen Revolution – bis zu einem Block mit der deutschen Bourgeoisie zum Krieg gegen die Entente verstiegen hat“. Das sicherste Mittel, eine Idee zu diskreditieren, sei, sie zur Absurdität zu steigern. Revolutionäre „Stimmung“ allein genüge nicht, man müsse alle Klassenkräfte und die bisherigen Erfahrungen revolutionärer Bewegungen einschätzen. Es sei unmöglich, von vornherein jeden Kornpromiß abzulehnen.

Laufenberg und Wolffheim hielten diesen Angriff Lenins doch für so schwerwiegend, – die Schrift wurde auch im rechtsradikalen Lager stark beachtet –, daß sie unter Schonung der Person Lenins „eine kritische Erledigung der bolschewistischen Methoden“ unternahmen, Die revolutionäre Situation in Deutschland habe „die Lösung der aktivsten und idealistisch eingestellten Schichten der Intelligenz“ von den Parteien gleich welcher Richtung zur Folge. Damit würden sie in die kommunistische Bewegung hineingerissen. „Beide Flügel, die nationalrevolutionäre und die sozialrevolutionäre Bewegung, sind aufeinander angewiesen.“ Es sei aber nun naiv und absurd, Rußland als das rückschrittlichste Land zum Vorbild zu erheben. Proletarische Politik in Deutschland müsse Staatspolitik treiben. Daß hierzu die k.p.d. (Spartakus) unfähig sei, habe sich schon auf der Konferenz aller revolutionären Gruppen im Oktober 1918 gezeigt, als Paul Levi sich in erster Linie auf die Deserteure stützen wollte. Jetzt werfe Radek, um seine k.p.d. zu retten, den Hamburgern Nationalismus vor, was ihn aber nicht hindere, „in Rußland die Trompete zum nationalen Volkskrieg gegen Polen zu blasen“; nach ihm müßen alle Arbeiter der Welt „russische Patrioten“ sein. Lenin sehe nicht, daß die deutsche Intelligenz von den Gewerkschaften zurückgestoßen und damit an die bürgerliche Gesellschaft gefesselt werde. Zur Landesverteidigung sage er nichts, was die Hamburger veranlaßt, Lassalles Schrift zum italienischen Krieg heranzuziehen. Versailles könne man nicht anerkennen. „Eine deutsche Räterepublik, die den Versailler Frieden unangetastet ließe, wäre eine erbärmliche Komödie, aufgeführt auf dem Rücken der deutschen Arbeiterklasse von den Agenten des Völkerbundes.“ Rußland aber brauche deutsche Arbeiter, die auch gern kommen würden, wenn hinter ihnen ein starker proletarischer Staat stehe und sie nicht Muschiks und Chinesen werden müßten.

Die Hamburger suchten andererseits peinlichst zu vermeiden, das Aufkommen bolschewistischer Stimmungen mit nationalistischem Einschlag in Teilen der Intelligenz, des Offizierskorps und des Klein-bürgertums zu identifizieren mit nationalkommunistischen Tendenzen im Proletariats. Dabei ist aber zu beobachten, daß die Abschüttelung Laufenbergs und Wolffheims durch Moskau diese immer mehr nach rechts drängte, was anfangs gar nicht ihrem Willen entsprach, war doch gerade noch im April 1919 Wolffheim ganz linientreu gewesen: solange in den Ländern der Entente die Kapitalistenklassen herrschten, würde ein proletarisches Deutschland jederzeit mit Waffengewalt gezwungen werden können, den Versailler Vertrag zu erfüllen. Erst nach dem Bannstrahl Lenins wandte man sich endgültig von Moskau ab und dem systematischen Aufbau einer nationalkommunistischen Opposition zu.

Deutsch-russisches Zusammenspiel während des russisch-polnischen Krieges

Die Prophezeiung Lenins vom 12. 7. 1919, daß die große Schlacht bevorstehe und die Sowjetrepublik Europa als Unvermeidlichkeit des Schicksals nahe, schien sich zu bewahrheiten. Die sowjetischen Führer wollten diese Entwicklung möglichst beschleunigen, um die Lage ihres hart bedrängten eigenen Landes zu bessern. Hier liegen die praktischen Ansätze einer nun beginnend en national-russischen Außenpolitik der Sowjetunion, zu denen auch das Zusammengehen mit der bürgerlichen deutschen Republik gehörte. Auch die Komintern mußte sich nun in den Dienst dieser nationalrussischen Aufgabe stellens. Die Bolschewisten improvisierten eine diplomatische Theorie, „deren Ziel die vorübergehende Wiederherstellung eines europäischen Gleichgewichts war, das ihre Stellung gegenüber der kapitalistischen Welt stärken sollte. Die deutsche Außenpolitik sah entsprechend in der Zusammenarbeit mit der Sowjetunion die Möglichkeit, wie Canning eine neue Welt zur Hilfe zu rufen, um das Gleichgewicht der alten wiederherzustellens. Radek, der eher als die anderen bolschewistischen Führer erkannte, daß mit der Revolution in Deutschland vorerst nicht mehr zu rechnen sei trat für offizielle diplomatische Beziehungen ein. Die Rote Armee unter Trotzki wiederum war aus militärischen Motiven für einen baldigen engen Kontakt mit der Reichswehrs. Lenin wurde auf die national-revolutionäre Entwicklung in Deutschland aufmerksam, die so gar nicht seinen Erwartungen auf eine rein proletarische Revolution entsprach. Er verglich die deutsche Situation mit der russischen von 1905. „In Deutschland sahen wir einen ähnlichen unnatürlichen Block zwischen Schwarzhundert-Leuten und Bolschewisten. Es erschien ein sonderbarer Typ des Reaktionär-Revolutionärs.“ Deutschland, neben Amerika das fortschrittlichste Land, befinde sich in unmöglichen Existenzbedingungen. „In dieser Lage wird Deutschland natürlich zu einem Bündnis mit Rußland getrieben. Als die russischen Truppen sich Warschau näherten, da brodelte es in ganz Deutschland. Ein Bündnis zwischen Rußland und diesem Lande, das abgewürgt worden ist, das die Möglichkeit hat, gewaltige Produktivkräfte in Bewegung zu setzen! Das gab den Anstoß dazu, daß in Deutschland ein politisches Durcheinander entstand: die deutschen Reaktionäre trafen sich in ihrer Sympathie für die russischen Bolschewiki mit den Spartakusleuten. Und das ist durchaus begreiflich“, erklärte Lenin am 21. 12. 1920 in seiner berühmten Rede über die Konzessionen, mit der er die n.e.p.-Politik einleitete mit der Formel: Kommunismus – das ist Sowjetmacht plus Elektrifizierung des ganzen Landes.

Den Anstoß zu dieser nationalbolschewistischen Entwicklung in Deutschland hatte Lenin selbst mit seinem Entschluß gegeben, die Gegenoffensive gegen die polnische Armee bis Warschau voranzutragen, um die russische Revolution aus ihrer Isolierung zu befreien und die deutsche Umwälzung voranzutreiben. Nach dem Zusammenschluß mit den deutschen Kommunisten sollte „Europa mit den Bajonetten der Roten Armee auf die Probe gestellt werden“. Die gewonnene Überzeugung, daß die deutsche Arbeiterbewegung aus eigener Kraft nicht in der Lage sein werde, sich zu erheben, führte außerdem zu der Taktik der Komintern, in England durch revolutionäre Umtriebe die Regierung zu stürzen, „weil nur dann die hilflose Lage Deutschlands der Entente gegenüber sich ändern würde“. Nach einem Umsturz in England würde das Reich dem Bolschewismus als reife Frucht in den Schoß fallen.

Von der Erregung, die damals während des sowjetischen Vormarsches auf Warschau im deutschen Volk herrschte, wurden die Rechtsradikalen besonders stark erfaßt. Der Freikorpsführer, der damals von Oberschlesien gegen Warschau marschieren wollte, um die Rote Armee zu entlasten, wurde bereits erwähnt. Graf Reventlow wollte die „Liga der unterdrückten Nationen“ gegen den Westen mobilisieren und mit der Roten Armee kooperieren, „um so gemeinsam den polnischen Staat zu zertrümmern“. Dafür suchte er leitende deutsche Politiker zu gewinnen. Daß man dies mit Schaudern zurückwies, „bedeutete für Deutschland eine verpaßte Gelegenheit großen Stils“. Unter der Parole: wo es links gibt, kann rechts nicht fern sein (Franz Schauwecker), begann die nationalistische Jugend begeistert den russischen Vormarsch zu beobachten. Nur der Rückschlag vor Warschau verhinderte es, daß man „die furchtbare Probe aufs Exempel des Nationalbolschewismus“ machte. Eine solche Zusammenarbeit von Nationalisten und Kommunisten Deutschlands mit der Sowjetunion war keine Unmöglichkeit in der damaligen Atmosphäre: Paul Levi rief im Reichstag zum Bündnis mit der Sowjetunion auf, Freikorps machten die besten Erfahrungen mit der „nationalen Zuverlässigkeit“ der deutschen Kommunisten. Aber die Verzweiflung von Nationalisten und Offizieren, die den Acheron in Bewegung setzen wollten, denn „alles muß verungeniert“ werden, genügte doch nicht. In den einflußreichen Kreisen von rechts bließ der Plan eines revolutionären Bündnisses mit der Sowjetunion „akademischer Unterhaltungsstoff“.

Aber die politische Verzweiflung weiter Kreise bestand und wurde von sowjetischen Beauftragten kräftig ausgenutzt. Dabei kam ihnen die Tatsache zugute, daß sie einen großen Teil der zaristischen Offiziere wieder aufgenommen und durch den Verteidigungskampf gegen die Polen in die glückliche Lage gekommen waren, den Kampf und die Propaganda unter nationalem Vorzeichen zu führen. Unter dem Motto: „Jedes Volk hat die Armee, die es verdient“ bemühte sich die Regierung der Sowjetunion seit 1919 um die Gewinnung der alten Offiziere. Ende dieses Jahres dienten etwa 100 000 von ehemals 500 000 zaristischen Offizieren in der Roten Armee. Die Bolschewiken appellierten an die Männer der Disziplin, in die Rote Armee zu kommen, da man nicht nur Rußland, sondern „die ganze Welt befreien“ müsse. Der Ausbruch des Krieges mit Polen verstärkte das Werben um das alte Offizierskorps. Radek ging soweit, zu erklären: „Ehrliche konterrevolutionäre Elemente können wir für den Krieg gut gebrauchen.“ Deutsche Nationalisten zogen aus dies er Erscheinung bereits 1920 den Schluß, „daß der russische Bolschewismus tatsächlich national geworden ist“. Auch in russischen Emigrantenkreisen in Deutschland erkannte man, daß der Bolschewismus „etwas viel Tieferes ist, als man anfangs annahm, und vor allen Dingen etwas viel Nationaleres“!". Peter Ryss, ein Emigrant in Paris, urteilte 1921, der Bolschewismus habe sich von einer internationalen Lehre in eine nationale Wirklichkeit umgewandelt. Wenn die Rote Armee vor Warschau ziehe, um verlorene Gebiete zurückzuerobern, dann sei es Pflicht der Emigranten, die Armee zu unterstützen, erklärte Prokopowitsch. Ein ehemaliger Offizier des weißrussischen Generals Denikin, zur Zeit Kommandeur einer Brigade an der polnischen Front, schrieb: „Laßt uns fallen in den Kämpfen bei Warschau, das Feuer des Aufstandes in Deutschland entfachen und den Orient gegen die Unterdrücker erheben.“ Den stärksten Impuls erhielten diese Erwägungen durch den Aufruf des Generals Brussilow und sieben anderer hoher Offiziere des zaristischen Heeres vom 30. Mai 1920. Wenn der Krieg gegen Polen verlorengehe, könnten die Enkel die Offiziere mit Recht verfluchen und anklagen, „daß wir aus egoistischen Empfindungen des Klassenkampfes unsere Kriegskenntnisse und Erfahrungen nicht ausgenutzt haben, unser angestammtes russisches Volk vergessen und unser Mütterchen Rußland ins Verderben gestürzt haben.“ Es begann langsam ein „Sowjet-Patriotismus“ zu entstehen, die Ideologie eines „Sowjet-Vaterlandes“ mit Lenin als dem Nationalhelden. Gerade starke Willensmenschen wurden von der Energie der Sowjetunion und ihrer Führer angezogen. Der Wandel in der Einstellung vieler Emi granten mußte sich natürlich auf das Urteil der deutschen Nationalisten über die Sowjetunion auswirken. Auch wurden sie stark von den machtpolitischen Gedanken der „Eurasier“ angeregt und beeinflußt. All dies im Verein mit der Einsicht in die realpolitische Lage trug auf beiden Seiten dazu bei, die Atmosphäre für eine deutsch-russische Annäherung vorzubereiten.

Der polnisch-russische Krieg hatte bereits im Herbst 1919 begonnen, nahm aber erst im Frühjahr 1920 einen lebhafteren Verlauf. Am 7. Mai besetzte Pilsudski Kiew, das er aber nur bis zum 11. Juni halten konnte. Nun setzte der sowjetische Gegenschlag ein, der nach dem Willen der Revolutionäre mit dem neuen Prinzip der „Revolution von außen“ bis nach Europa vorgetragen werden sollte. Wie damit im Zusammenbang erstmals „jene verlockende Konzeption“ eines gemeinsamen deutsch-russischen Widerstandes gegen Versailles auftauchte, wurde bereits gezeigt. Aber auch die amtliche deutsche Außenpolitik wurde, wie angedeutet, von den Schwankungen auf dem Kriegsschauplatz stark beeinfluBt. Schon Ende Januar 1920 tauchte die Besorgnis auf, „daß im Sommer dieses Jahres der Ansturm der bolschewistischen Roten Armee von Osten her über Polen auch sich über uns ergießen und kaum einen ausreichenden Widerstand finden wird“. Die Reichsregierung war der Ansicht, daß mit einem baldigen Sturz der Sowjetregierung nicht mehr zu rechnen sei. Die militärische Intervention sei fehlgeschiagen. Auch England strebe bereits einen modus vivendi an. Nunmehr sei auch für Deutschland der Zeitpunkt gekommen, vorsichtig an die Aufnahme von Beziehungen zu denken, um „bei Wiederaufbau Rußlands rechtzeitig an Ort und Stelle zu sein“. Die Sorge vor einem Einmarsch der Roten Armee teilte die Regierung damals nicht, da ihre Schlagkraft überschätzt werde. Sie werde auf jeden Fall an der deutschen Grenze balt machen, denn sie „wisse genau, daß ein bolschewistisches Regiment nach Deutschland von außen nicht hineingetragen werden könne, wenn die inneren Voraussetzungen fehlten. Diese aber seien in Deutschland nicht mehr gegeben“. Die Regierung lege aber größen Wert darauf, mit der Sowjetunion ohne Rücksicht auf die Regierungsform zusammenzuarbeiten, zumal sich der Bolschewismus innerlich sehr gewandelt habe. Man verglich die damalige bolschewistische Staatstheorie sogar mit der sozialdemokratischen. Sehr eingehend verfolgte man die englisch-russischen Wirtschaftsverhandlungen, da sie einen Vorwand boten, ebenfalls zu verhandeln, ohne England zu verschnupfen, „auf dessen Hilfe wir bei der bevorstebenden Revision des Versailler Friedensvertrages angewiesen seien“.

Noch vor Beginn des russischen Gegenschlages an der Nordfront am 14. Mai mußte die Regierung erneut bayrische Besorgnisse „über Brussilows geplante Frühjahrsoffensive gegen Polen und das deutsche Reich“ zerstreuen. Sie war sich über die russischen Tendenzen durchaus im unklaren; ob der Bolschewismus als „Weltrevolutionsform“ noch ernstlich in Frage komme, sei zweifelhaft. Er halte sich anscheinend nur dadurch, daß er „die früheren Elemente des Nationalismus und Panslavismus“ in sich aufgenommen habe. Der Rußlandreferent im Auswärtigen Amt, Freiherr Ago Maltzan, gestützt auf das Urteil des soeben aus der Sowjetunion zurückgekehrten Cleinow, bewertete nun ab er die Rote Armee recht hoch. Sie sei das einzige positive Element im neuen Rußland, schlagkräftig, diszipliniert und fest in der Hand ihrer zu 80% ehemals zaristischen Offiziere. Polen werde sich ohne Hilfe der Entente auf die Dauer nicht halten können. „Zweifellos sei, daß die Rote Armee, wenn sie Polen unterworfen habe, an der deutschen Grenze nicht halt machen würde.“

Es ist außerordentlich schwer, bei den Urteilen über den Kampfwert und die Ziele der Roten Armee die Motive auseinanderzuhalten: der Wunsch, die Situation für eine Verstärkung der Reichswehr auf 200 000 Mann und allgemeine Erleichterung von Versailles auszunutzen, nationale Kampfstimmung gegen Kommunismus vor allem in Bayern, Differenzen zwischen dem Urteil der Regierung, die auf innerpolitische Stimmungen, insbesondere der Arbeiterschaft, Rücksicht nehmen mußte und obendrein außenpolitisch stets nach England blickte, das sie nicht verstimmen wollte, alle diese Tendenzen färbten die Urteile. Sie führten zu den angedeuteten Schwankungen, die erst im Augenblick des Schreckens über das Auftauchen roter Verbände an der ostpreußischen Grenze, in der „Krise an der Grenze“ enden sollten. Die Frage der Auswirkungen eines Vormarsches der Roten Armee nach Westen hatte die deutsche öffentlichkeit bereits im März 1919 beschäftigt. Man glaubte nicht, daß die bolschewistischen Führer den Fehler machen würden, einzumarschieren ohne ausdrückliches Ersuchen der deutschen Arbeiterschaft“, Gerade aber diesen Fehler schien die Sowjetunion gegen Trotzkis und Radeks Warnung begehen zu wollen, und es läßt sich denken, daß man gegen den befürchteten Rückschlag vorbeugend eine baldige Kooperation mit der Reichswehr wünschte, um Polen in die Zange nehmen zu können. Anfang August trafen in Berlin Meldungen ein, wonach russische Divisionskommandeure von der Möglichkeit gesprochen hatten, „mit oder ohne die deutsche Unterstützung den Kampf gegen die Westmächte fortzusetzen“. Sie hätten Befehl, nach Thorn und Danzig zu marschieren; Rußland beabsichtige, „die alten deutschen Grenzen wiederberzustellen“. Die Reichsregierung konnte derartige Andeutungen nur als Ermunterung auffassen, den beschlossenen wirtschaftlichen Kontakt mit der Sowjetunion zu realisieren. Zeigte sich ihrer Ansicht nach Rußland in seinem Verhalten gegenüber dem Reich unsicher, so traf das auf die deutsche Regierung ebenfalls zu. Diese Unsicherheit wurde durch die wechselvolle militärische Lage nur verstärktst. Auch sah sich die Regierung gezwungen, aus innerpolitischen Gründen (Kriegsgefangenenfrage, die Extremisten beider Seiten auf der Lauer liegend) wie auch aus außenpolitischen – „das bolschewistische Rußland wird sich nach rechts orientieren“ – äußerst vorsichtig zu lavieren, um die Rote Armee von den Grenzen fernzuhalten und trotzdem möglichst viel für das Reich herauszuholen. Als die Russen vor Warschau standen, rechnete das Auswärtige Amt mit einer polnischen Sowjetregierung. Die durch die vordringenden Russen „befreiten“ ehemaligen deutschen Ostgebiete soll ten sich autonom erklären. Das klinge „unpatriotisch“, mehr sei aber nicht zu erreichen, denn Frankreich ziehe an seiner Ostgrenze bereits Truppen zusammen. „Wir müßten es darum der eigenen ehemals deutschen Bevölkerung in Neu-Polen und den befreienden Russen überlassen, die geeigneten Maßnahmen zur Rückkehr dieser Gebiete zu Deutschland zu unternehmen.“ Die Regierung hielt es dabei für wahrscheinlich, daß die Russen in ihrem eigenen Interesse den Korridor beseitigen würden. Man könne daher der weiteren Entwicklung „mit Ruhe und Hoffnung“ entgegensehen. Im Oktober waren diese Erwartungen endgültig enttäuscht. Die polnisch-russischen Verhandlungen in Riga, auf deren schnellen Abschluß Lenin drängte, ergaben statt der Ausschaltung des westpreußischen Korridors einen zweiten polnischen Korridor östlich von Litauen.

Die deutsche Außenpolitik hatte den angestrebten Erfolg wegen des unerwarteten Zusammenbruchs der russischen Westarmee nicht erzielen können. Wie hatte nun in dieser Zeit die Deutschlandpolitik der Komintern ausgesehen? Nur die Kenntnis beider Faktoren gestattet ein Urteil, ob für die nationalbolschewistischen Strömungen dieser Monate die geringste Aussicht zur Aktion bestanden hat. Lenin hatte für den vom 19. 7. bis 7. 8. 1920 stattfindenden zweiten Weltkongreß der Komintern „Thesen zur nationalen und kolonialen Frage“ ausgearbeitet, in denen er auch die Möglichkeit national-revolutionärer Bewegungen zugab. Er befand sich damit im Grunde nur in Übereinstimmung mit seiner Auffassung aus dem Jahre 1902, als er in der Schrift „Was tun?“ proklamierte, die Kommunisten würden jede revolutionäre Bewegung unterstützen. 1920 aber ging man aus der aktuellen politischen Situation heraus wesentlich weiter. „Die These von der Möglichkeit der Einheitsfront der prole tarischen Revolution und der nationalen Freiheitsbewegung kam auf.“ Mochte dies auch nur eine aus der Not geborene Taktik sein, so sollte sie doch weitreichende Folgen haben: 1920 forderte Lenin, man müsse eine Politik „des engsten Bündnisses aller nationalen und kolonialen Freiheitsbewegungen mit SowjetRußland führen“, auch mit der bürgerlich-demokratischen Freiheitsbewegung der Arbeiter und Bauern. Die Komintern müsse alle Verletzungen der Gleichberechtigung der Nationen und der Minderheitenrechte ausnutzen, die revolutionären Bewegungen direkt unterstützen. Lenin nennt in diesem Zusammenhang Irland und die Neger in den u.s.a., aber nicht Deutschland. Gewiß hängt das mit seiner These zusammen, daß zugleich der Kampf gegen alle nationalen Bewegungen notwendig sei, die auf diesem Wege die Erstarkung der Stellung der bevorrechteten Klassen bezwecken. Auch mit der bürgerlichen Demokratie in den Kolonien sei nur ein zeitweiliges Bündnis, keine Verschmelzung möglich.

Diese Thesen hatten, was die Deutschlandpolitik der Komintern betraf, eine doppelte, merkwürdig anmutende Folge, die aber in der konsequenten Doktrin Lenins beschlossen lag. Sie führten einmal zu der revolutionären Arbeitsgemeinschaft der k.p.d. mit k.a.p.d. und u.s.p.d., zum anderen aber zu engen Verbindungen mit dem bürgerlichen Nationalismus der Freikorps und der Bünde.

Was die Kornmunistische Arbeiterpartei (k.a.p.d.) betraf, so wurde ihr Vertreter Arthur Goldstein auf Verlangen der russischen Führung auf dem zweiten Weltkongreß in das Exekutivkomitee der Komintern aufgenommen, sehr zum Mißfallen der k.p.d.. Die Partei hatte aber vorher die Auffassung Lenins in der Schrift „Der Radikalismus, die Kinderkrankheit des Kommunismus“ annehmen und sich zum Ausschluß des syndikalistischen (Rühle) und nationalistischen (Laufenberg/Wolffheim) Flügels verpflichten müssen. Goldstein entledigte sich dieser Verpflichtung in der Schrift „Nation und Internationalee“, einer kritisch en Auseinandersetzung mit dem Hamburger Kommunismus, vom Juli 1920. Er suchte den Hamburger Nationalkommunismus gleichsam geopolitisch zu erklären. Hamburg sei schon vor 1914 ein Exponent des Überseeimperialismus gewesen und das habe auch den Charakter der dortigen Arbeiterschaft geformt. Die Lehre Laufenbergs sei daher „eine Konzession gegenüber der bürgerlich-nationalistischen Ideologie“. Sie habe aber das Verdienst, die Tragweite von Versailles für das deutsche Proletariat und die daraus resultierende weltrevolutionäre Entwicklung klar erkannt zu haben. Die k.p.d. diskutiere das mit Phrasen hinweg. Für falsch erklärt Goldstein aber die von den Hamburgern gezogenen Folgerungen: den Krieg gegen die Entente und den Burgfrieden mit dem Bürgertum. Er bezweifelt, ob Laufenberg und Wolffheim noch auf dem Boden des wissenschaftlichen Sozialismus ständen. Marx und Engels hätten zwar die nationalen Einigungskriege des 19. Jahrhunderts als Motoren des Fortschritts begrüßt, jetzt aber lebe man „in der Epoche der Zertrümmerung der Nationen“. Man könne nur vom Klassenkampf als dem regulativen Prinzip der Weltgeschichte ausgehen. Jede andere Orientierung sei „relativ bedeutungslos“. Es sei falsch, die proletarische Revolution da anknüpfen zu wollen, wo die bürgerliche versagt habe. Der Sozialismus beginne erst dort, „wo die Nation zu Ende ist.“ Die Einheit der Nation sei im Räderwerk der Geschichte zerfetzt worden. „So wäre es eine phänomenale Gedankenlosigkeit, wenn man behaupten wollte, daß der Sieg des russischen Proletariats über seine Kapitalistenklasse mit der Konstituierung der russischen Nation gleichbedeutend wäre.“ Der Sieg der Revolution in Deutschland und Polen werde lediglich einen sozialistischen Wirtschaftsblock vom Rhein bis zum Ural schaffen. Insofern sei der Hamburger Kommunismus ein Rückfall und eine Gefahr für das Proletariat.

Auch für die Komintern war die Haltung Laufenbergs „nationalistisch-kleinbürgerlich“. Sie lehnte den Kampf gegen die Entente nicht grundsätzlich ab, vorher müßte dann aber erst recht die deutsche Bourgeoisie niedergeschlagen sein, bevor sie sich mit der Entente verbünden könne. Sie nannte die Hamburger „typische schwankende Literaten und Intellektuelle“. Das Bemühen Laufenbergs und Wolffheims, trotz allem den Kontakt zur Dritten Internationale im Kampf gegen die k.p.d. aufrechtzuerhalten, wie es sich noch im Aufruf vom 1. Mai 1920 ausdrückte, war vergeblich. Dem entschlossenen Streben der Komintern, aus den drei linkssozialistischen Parteien eine große kommunistische Massenbewegung zu schaffen, mußte die Hamburger und Dresdener Richtung geopfert werden. Die k.a.p.d. entschied sich für ein gemeinsames Aktionskomitee mit der k.p.d.. Der Parteitag von Anfang August 1920 stellte fest, wenn die Hamburger weiterhin nationalistische Tendenzen propagierten, stellten sie sich außerhalb der sozialistischen Reihen. Darauf trennten sich die beiden mit ihren Hamburger Anhängern von der k.a.p.d. und gründeten den „Bund der Kommunisten“. Sie sollten in Zukunft, vor allem nach den revolutionären Unruhen des Jahres 1921, ein recht begrenztes Eigenleben jenseits der parteipolitischen Strömungen führen. Die Aktionsgemeinschaft der deutschen linkssozialistischen Parteien erlebte ihren Höhepunkt im Frühjahr 1921. Wie aber stand es nun mit der Zusammenarbeit der Kommunisten mit deutschen Nationalisten?

Die theoretische Rechtfertigung lieferte den deutschen Kommunisten der Nationalökonom der Komintern Eugen Varga, der in diesen Jahren unter dem Pseudonym E. Pawlowskij mehrere Schriften über das deutsche Reparationsproblem und die damit zusammenhangende revolutionäre Rolle der deutschen Bourgeoisie verfaßte. Auf Grund seiner Analyse der deutschen Lage (Reparationen, Auslandsverschuldung, ausländische Kontrolle der deutschen Wirtschaft) nannte er das Reich das erste Beispiel einer Kolonie neuen Typs. Seine hochentwickelte Industrie werde insgesamt dem westlichen Wirtschaftssystem eingegliedert. So schien ein taktisches Zusammengehen mit bürgerlichen Nationalisten in revolutionären Situationen gerechtfertigt. Dem kam eine entsprechende Entwicklung von rechts entgegen. Die Freikorps vor allem waren in den vergangenen zwei Jahren oft mit den Kommunisten im Kampf aufeinandergetroffen. Sie erkannten früh in den Spartakisten eine ihnen ebenbürtige Macht, die sie glaubten, im Entstehen vernichten zu müssen. Sehr rasch trat zur Verachtung über die „schwung- und ideenlose Revolte“ vom 11. 1918 ei ne starke Achtung vor dem deutschen Arbeiter, dessen wirtschaftliche und politische Forderungen man mehr und mehr als berechtigt anerkanntes“. Die Freikorpsleute trennte von der radikalen Arbeiterschaft nur deren entschiedene Negierung der Nation als verpflichtende Ordnung, während man selber aus den Aktionen keinen bleibenden Nutzen zog, weil „eine revolutionäre Zielsetzung“ fehlte, die man an der Arbeiterschaft bewunderte, wenn man sie auch inhaltlich ablehnte. Es war wieder das Problem, wie man Nationalismus und Sozialismus fruchtbar verschmelzen konnte, das der dringenden Lösung zu harren schien, im Sinne Sorels: „In Wirklichkeit gibt es so viele Arten von Sozialismus, als es große Nationen gibt.“

Auch hatte man einige Lehrbeispiele vor Augen, die zeigten, wie nationale und sozialistische Interessen in der Aktion zusammenfallen konnten, wie etwa die Kämpfe in Oberschlesien 1921. „Wer im Streite der politischen Anschauungen Stellung gegen die linke Richtung hätte nehmen wollen, wäre im Selbstschutz unmöglich gewesen“, da dessen Angehörige meist Arbeiter waren. 1920 gab es ähnliche Tendenzen in der Reichswehr, wie auch im ostpreußischen Grenzschutz und in Thüringen.

Berücksichtigt man diese natürliche Disposition der Freikorpsleute zum Sozialismus und bedenkt man die Formel der Komintern: „Die deutsche parlamentarische Demokratie ist ein leerer Raum zwischen zwei Diktaturen, so war ein taktisches Zusammengehen der Kräfte, die diesen Raum möglichst schnell zu überbrücken strebten, wohl denkbar und sogar zu erwarten. Hinzu kam der Wille, der schwerbedrängten Sowjetunion mit allen Mitteln zu helfen. So sollte der sowjetische Beauftragte in Berlin, Kopp, am 17. 6. 1920 den u.s.p.d.-Führern erklärt haben, die Sowjetregierung befinde sich in einer schwierigen Lage und „erwarte baldigste Hilfe von den deutschen Revolutionären. Dazu gehörte nicht nur das erwähnte Verhindern von Waffenlieferungen an Polen, sondern das Vorantreiben der revolutionären Stimmung in Deutschland. In den Tagen, in denen Paul Levi das aktive militärische Bündnis mit der Sowjetunion forderte, fanden auch mehrfache Kontaktanbahnungen rechts gerichteter Offiziere mit Kommunisten und Sozialisten statt. In Oberschlesien machten sie das Angebot, die Arbeiter sollten für die Lieferung von Waffen an die Bolschewisten gegen die Polen kämpfen. Über ähnliche Fühlungnahmen berichtete Arthur Crispien auf dem Parteitag der u.s.p.d. in Halle im Oktober 1920. Ein wesentliches Motiv für den rechten Flügel der u.s.p.d., die Vereinigung mit der k.p.d. nicht mitzumachen, lag in den nationalistischen Parolen der Kommunisten, die „eine verdammte Ahnlichkeit mit der alldeutschen Kriegshetze“ hätten. Die Debatte um das Referat Sinowjews entzündete sich gerade um seine Ausführungen zur nationalen Frage am heftigsten.

Auf diesem Sektor verstand man sich aber wiederum mit der k.a.p.d. ausgezeichnet, die hoffte, „daß das eiserne muß Sowjetrußland zwingen wird, dem polnischen Räuber endgültig das Lebenslicht auszublasen, damit eine gemeinsame deutsch-russische Grenze entstände. Die k.p.d. schleuste zu dieser Zeit deutsche Kommunisten über Ostpreußen-Litauen in die Sowjetunion, aus denen die „Internationalen Spartakus-Regimenter“ 86 und 88 aufgestellt wurden zur späteren Verwendung in Deutschland. Zugleich arbeitete man in propagandistischem Sinne unter den Offizieren und Unteroffizieren der Reichswehr wie auch der alten Armee. „Die nationalistische Einstellung der Offiziere muß durch die Anti-Entente- und Anti-Versailles-Tendenz einer deutschen Räterepublik für unsere Zwecke ausgenutzt werden, was bisher nicht in ausreichendem Maße geschehen ist.“

Die auf Druck Moskaus erfolgende Zusammenarbeit der k.p.d. mit der k.a.p.d. – die „wertvolles Menschenmaterial“ enthielt und von der man wenigstens „die besten proletarischen Elemente“ gewinnen wollte – diente ausschließlich der Revolutionierung Deutschlands im Interesse der Weltrevolution, die von der Komintern noch einmal erzwungen werden sollte. Auf sowjetischer Seite rechnete man im Zusammenhang mit der Abstimmung in Oberschlesien mit einem deutsch-polnischen Krieg. Diese Gelegenheit wolle die Sowjetunion ergreifen, dem Reich zu Hilfe eilen und dabei die sozialistische Revolution entfachen. Da die Mitglieder der k.a.p.d. für die unmittelbare Aktion im Sinne Sorels waren, hatte man von sowjetischer Seite eine starke militärische Fühlungnahme mit Verbänden der Roten Armee vorgesehen. Die k.a.p.d., die nun alle nationalbolschewistischen Tendenzen ablehnte, wollte zur schnellen Förderung der Weltrevolution den Kontakt der Roten Armee mit dem französischen Proletariat fördern. „Wir beweisen durch diese Argumente, daß wir nicht Nationalbolschewismus, sondern Weltrevolution wollen, wir beweisen es durch die Rote Armee, die den französischen Proletariern hilft, indem sie den Militarismus Frankreichs beschäftigt. Damals wurde ein „Aktionsplan“ zur Eroberung Berlins durch linksradikale Kreise bekannt, der im Auftrag von Laufenberg und Wolffheim von Seger und Lindemann ausgearbeitet gewesen sein soll. Der Plan sei Anfang Februar 1921 in einer Kommission von k.p.d.- und k.a.p.d.-Teilnehmern beraten worden. In einer Sitzung des Aktionsausschusses Anfang März berichtete Wendel über die grundsätzliche Einigung mit der v.k.p.d., daß bis zum 31. 3. alle Vorbereitungen für die Aktion getroffen sein sollten. Die militärische Leitung bei der k.a.p.d. hatten Major Anker, Major Klinger (früher E-Bataillon, Inf.-Reg. Nauen), Seeger (sic!) und Lindemann, alles ehemalige Offiziere und Angehörige der Hamburger „Freien Vereinigung zum Studium des Kommunismus“. Die darüberstehende zivile Leitung bestehe aus Dr. Sevin, Wolffheim, Wendel, Seppel, Kurt, Däumig, Thalheimer, Budig und Frölich. Delegierte ohne Stimmberechtigung seien Adolf Hoffmann (v.k.p.d.) und Allmer („Bund der Kommunisten“).

Das Kräfteverhältnis dieser kommunistischen Organisation für diese Zeit (unmittelbar vor dem Mitteldeutschen Aufstand) wurde angegeben mit 462 000 k.p.d., 45 000 k.a.p.d., 178 000 a.a.u. (Allgemeine Arbeiter Union), 51 000 f.a.u.d. (Syndikalisten) und 500 000 u.s.p.d.. Diese Übersicht zeigt die relative Schwäche der k.p.d. innerhalb der linksradikalen Arbeiterschaft und begründet das Verhalten der Komintern. Zu diesem Zeitpunkt scheint Paul Levi von Sinowjew auch die Weisung erhalten zu haben, stärker auf die v.k.p.d. einzuwirken, „daß sie mit der äußersten Rechten, besonders mit dem auf diesem Standpunkt stehenden Teil der deutschen Studentenschaft, in Verbindung“ trete. Nur dieses Zusammenwirken könne eine Unterstützung der Sowjetunion für den Kampf gegen die Entente herbeiführen. Die so gewonnenen Kreise sollten dann sowjetischen Agitatoren und Funktionären die Einreise nach Deutschland ermöglichen. Der Aktionsausschuß der k.p.d. war am 21. 2. mit dies er Weisung nicht einverstanden und verurteilte auch die Reise Levis nach München zur Agitation unter rechtsgerichteten Kreisen (Oberland!). Vertreter der k.a.p.d. verhandelten auch mit dem Vertreter der Sowjetunion in Berlin, Vigdor Kopp, gemeinsam mit Vertretern der k.p.d.. Nur der „Bund der Kommunisten“ weigerte sich, teilzunehmen. Wenn die Sowjetunion Verhandlungen auf breiter Basis wünsche, sei der Bund bereit, wenn von den anderen kommunistischen Parteien keine Funktionäre der Zentralen delegiert würden. Wendel als Vertreter des Bundes hatte Kopp im Beisein von Levi und Prof. Fedoroff über die Ziele des „Bundes der Kommunisten informiert, und Kopp hatte zugesagt, die sowjetische Regierung zu unterrichten und sie für diese Pläne zu interessieren. Das wolle er versuchen, „denn darüber brauchen wir uns doch kein Hehl zu machen, daß Rußland am Ende seiner wirtschaftlichen Kraft steht. Rußland ist auf Deutschland angewiesen und hat deshalb auch trotz ihrer abweichenden Taktik die k.a.p.d. in die III. Internationale aufgenommen. Für die Komintern sollte es sich auf die Dauer als unmöglich erweisen, die drei feindlichen Brüder zu vereinen. Die k.p.d. nahm die Aufnahme der k.a.p.d. in die Komintern übel, und diese zeigte auch geringe Lust, mit den Rechtskommunisten der Hamburger Richtung ohne weiteres zusammenzuarbeiten. Der Vertreter der Komintern, Hauscbak, beklagte diese Uneinigkeit, denn die russische Lage erfordere das Drängen auf Revolution in Westeuropa. Aber es sollte anders kommen. Der Mitteldeutscbe Aufstand vom März 1921 brach ergebnislos zusammen, und die Arbeitsgemeinschaft löste sich endgültig auf, als die k.a.p.d. am 11. 9. 1921 aus der Komintern austrat.

Auch Laufenberg und Wolffheim waren politisch erfolglos. Noch 1920 während des polnisch-russischen Krieges hatten sie vergebens gehofft, die kommunistischen Arbeiter zum aktiven Kampf gegen Frankreich mobilisieren zu können. Aus der k.a.p.d. herausgedrängt, gründeten sie im Herbst 1921 den „Bund der Kommunisten“, mit dem sie ihre Grundsätze der Räteverfassung und einer kommunistischen Republik Deutscbland vorerst propagandistisch verbreiten wollten. Neben den kommunistischen Thesen proklamierten sie an nationalen: Annulierung aller Verpflichtungen und Schulden des kapitalistisch en Staates, Organisierung der revolutionären Verteidigung gegen die imperialistischen Mächte des Völkerbundes, Bündnis mit einem kommunistischen Rußland unter Beseitigung aller Pufferstaaten der Entente und Unterstützung aller revolutionären Bewegungen, die gegen das internationale Finanzkapital gerichtet seien.

Der Bund, dessen Zentrum naturgemäß Hamburg war und bließ – mit einem starken Anhang in der k.a.p.d. Berlin –, konnte sich nur schwer gegen die syndikalistische Allgemeine Arbeiter Union durchsetzen. Zulauf gewann er noch in Stettin, Mitteldeutschland Ostsachsen (Rühle) und Schlesien. Die militärischen Vertreter waren weiterhin Seeger und Lindemann. Man begann eine kräftige propagandistische Tätigkeit zu entfalten, Vertreter des Bundes sprachen auch in Berliner Versammlungen der k.p.d., und versuchte sogar soziale Unruhen zu Putschen auszunutzen (Ostern 1921). Die staatlichen Organe schätzten die revolutionäre Energie des Bundes recht hoch ein. „Gerade im gegenwärtigen Augenblick unter dem Druck der äußeren Lage wird diese bisher nicht sehr bedeutende Gruppe als National-Bolschewismus, großen Zulauf erhalten.“ Sie rechneten mit ihrem Losschlagen im Frühjahr bei einem bolschewistischen Angriff auf Polen.

Um sich einen festeren finanziellen Rückbalt und mehr Resonanz in den Kreisen der Intelligenz zu schaffen, hatten Laufenberg und Wolffheim die „Freie Vereinigung zum Studium des deutschen Kommunismus“ gegründet. Sie erstrebte die Zusammenfassung aller Persönlichkeiten, die am kommunistischen Aufbau des Reiches und dessen Wirtschaft mitarbeiten wollten. „Zur sachlichen Erörterung dieser Probleme und zur entschlossenen Anteilnahme an der bevorstebenden Entwicklung“ bildete sich die Vereinigung. Auf der Generalversammlung vom 23. 1. 1921 brachte Laufenberg die Resolution ein, die Vereinigung sei eine reine Propagandagesellschaft. „Sie orientiert die deutsche Revolution und bereitet dem kommunistischen Aufbau den Weg“, sei aber ohne eigene Machtziele. Praktisch stand die Vereinigung zwischen rechts (Orgesch) und links (Spartakus), da beide Extreme „die Herrschaft einer bestimmten Klasse erstrebten, die Vereinigung aber die Einheit des ganzen Volkes wollte. So trieben Vereinigung und Bund während der revolutionären Unruben in Deutschland 1920/21 zwischen den Kommunisten und Rechtsradikalen, von beiden teils benutzt, teils fallengelassen, beide für ihre eigenen Ziele einzusetzen suchend, ohne jemals einen wirklichen Erfolg erzielen zu können. Engerer Kontakt gelang nur zu dem „Deutschen Nationalen Jugendbund“ der – jungdeutschen – Hamburger Richtung (im Gegensatz zu der ‚altpreußischen‘ Potsdamer Richtung). Vor allem in Berlin traten damals „einzelne Schwärmer und einige Trupps Jugendlicher aus dem Lager der äußersten Rechten“ zum Bund der Kommunisten in Verbindung, „mit dem sie eines gemeinsam zu haben glauben, nämlich die Hoffnung, Versailles im Krieg gegen Frankreich abzuschütteln“. Bei revolutionären Aktionen waren sie noch für Abwarten, „da die Reichswehr nach ihrer Ansicht noch nicht bereit sei, mit der Arbeiterschaft gegen die Entente loszuschlagen“. Auch auf der Freideutschen Woche 1920 in Hofgeismar sprach ein Vertreter der nationalkommunistischen Richtung aus Hamburg. Während des dritten oberschlesischen Aufstandes im Mai 1921 arbeiteten Vertreter des Bundes propagandistisch dort im Sinne des revolutionären Volkskriegeset. 1922 versuchten Laufenberg und Wolffheim dann die erste Zusammenfassung aller natio nal- und sozialrevolutionären Gruppen im „Bund für Volk, Freiheit und Vaterlandees, der parteifeindlich und bündisch orientiert war. Vor allem während der revolutionären Spannung des Jahres 1923 in Deutschland war der Bund recht aktiv. Der „Bund der Kommunisten“ bestand noch 1931 und nahm lebhaften Anteil an der nationalrevolutionären Bewegung in den letzten Jahren der Weimarer Republik. Er wurde von Wolffheim allein geleitet, da Laufenberg sich zurückgezogen hatte. Selbständige praktische Erfolge waren diesem Wirken ab er nicht mehr beschieden.


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Compiled by Vico, 7 April 2017