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Antonie Pannekoek Archives

Pressedienst

Quelle: a.a.a.p.


Pressedienst

Gruppe Internationaler Kommunisten (Holland) : p.i.k.: Pressedienst der Internationalen Kommunisten-Holland, 1928-1933. – Transkribiert und herausgegeben für Rätekommunismus ; Mitarbeit von der Association Archives Antonie Pannekoek; €15,80.


Revolutionäre Gewerkschaftsbewegung in Holland


Quelle:  Pressedienst der g.i.k., 22. september 1928, No. 2 (i.i.s.g. ); Transkribiert und herausgegeben für Rätekommunismus ; Mitarbeit von der Association Archives Antonie Pannekoek.


II. Wie revolutionäre Einheit „gemacht“ wird

Es war unseren 14 bezahlten Führern vom n.s.v. ein Dorn im Auge, dass in Holland zwei revolutionäre „syndikalistische“ Gewerkschaftszentralen nebeneinander existierten. So etwas ist für bezahlte Gewerkschaftsbonzen, seien es auch syndikalistische, nicht mit ihrem revolutionären Gewissen zu vereinbaren. Obendrein: Von den 8 000 Mitgliedern, welche bei der Absplitterung vom n.a.s. da waren, blieben nur noch 4 000 übrig. Und was sollen Generäle anfangen ohne Soldaten? Im Interesse der revolutionären Einheit musste also die Verschmelzung vom zentralistisch-kommunistischen n.a.s. mit dem sog. „reinen“ syndikalistischen n.s.v. zu Stande kommen.

Und ehrlich gesagt, lag auch kein Grund vor, die Scheidung noch länger aufrechtzuhalten. Parlamentarisch waren beide und Koalitionspolitik trieben sie auch; die Notwendigkeit kollektive Arbeitsverträge abzuschließen, sahen beide ganz gut ein, nur war das n.a.s. bei der RGI angeschlossen und der n.s.v. bei der Berliner i.a.a. Aber ein Nörgler, der auf solche Kleinigkeiten achtet! Prinzipienerklärungen sind doch eben auch nur Papierfetzen!

Demnach wurde von der Führerschaft des n.s.v. beschlossen, die Besprechungen über die Verschmelzung mit den Führern des n.a.s. einzuleiten. Zwar hat die Mitgliedschaft nie einen Antrag in diese Richtung gegeben; aber man kann diese doch nicht mit aller organisatorischen Kleinarbeit belästigen.

Selbstverständlich kam die Einheit in den höheren Rängen zustande. Die „reinen“ Syndikalisten waren gewillt, ihre „Kampfesbrüder“ mit Haut und Haar in die zentralistisch-kommunistischen Gewerkschaften, das heißt an den politischen Zentrismus, auszuliefern. Nun musste aber schließlich doch noch die Mitgliederschaft befragt werden. Und dass die Dinge nicht ohne innerliche Stöße verlaufen konnten, ist ja selbstredend. So wurde denn eine Urabstimmung eingeleitet, mit dem Erfolg, dass tatsächlich die Mehrheit, sei es auch eine kleine, sich für die Verschmelzung aussprach.

Ihr meint vielleicht: Jetzt große Freude bei den Bonzen! Völlig geirrt, meine Lieben. Das n.a.s. ist doch auch geschäftstüchtig. Es wollte den „Beamtenapparat“ wohl mit übernehmen, aber nicht nur den „Apparat“. Und so viel war im Voraus zu sehen, dass der n.s.v. mit so einer Urabstimmung bei dem Übergang auseinanderfallen würde. Also stellte die n.s.v.-Führerschaft fest, dass die Zeit der „Festigung der Kampforganisation“ noch nicht gekommen sei, und damit nahm sie sich die Freiheit, den Beschluss der Urabstimmung nicht auszuführen. Alles Bonzenpolitik wohin wir blicken!

So viel ist aber klar, dass damit der n.s.v. nicht gerettet wird. Als erster Erfolg sind denn auch verschiedene Gewerkschaften ausgetreten und haben den Beschluss selbst durchgeführt; sie suchten Unterkunft beim n.a.s., wo sie mit offenen Armen empfangen wurden. Diese Verschmelzungsversuche haben dem n.s.v. bis jetzt weitere 2 000 Mitglieder gekostet, und also sind noch 2 000 vorhanden. So wird bei uns revolutionäre Einheit gemacht.

Bevor wir die weiteren Geschehnisse im n.s.v. skizzieren können, müssen wir nun die anarchosyndikalistische Gewerkschaftbewegung betrachten. Es ist hier vor ein paar Jahren eine neue revolutionäre Gewerkschaftsbewegung entstanden, welche ihren Ausgangspunkt bei den Amsterdamer Elektrizitätsarbeitern hatte. In ganz kurzer Zeit wussten diese eine kräftige Organisation zu gründen, welche völlig auf dem Betrieb aufgebaut ist. Der Aufbau entspricht den revolutionären Betriebsorganisationen, wie diese in Deutschland bekannt sind. Außer in der B.O. [Betriebsorganisation] der Elektrizitätsarbeiter wird dieses Organisationsprinzip mit ziemlich gutem Erfolg auf die anderen städtischen Betriebe wie Wasser- und Gaswerke, Müllabfuhr usw. übertragen. Die ganze Föderation der B.O.’s arbeitet ohne jeden bezahlten Angestellten.

Es handelt sich hier um eine eigentümliche Erscheinung, wofür wir keine genügende Erklärung geben können. Wie bekannt, werden die Arbeitsbedingungen dieser Arbeiter von dem Gemeinderat festgesetzt. Daneben gibt es dann einen ganzen offiziellen Apparat von Schlichtungsausschüssen mit Interessenvertretungen von Seiten der Gewerkschaften und der Verwaltung der Betriebe, an welchen dann auch alle Gewerkschaften, ausgenommen die obengenannten B.O.’s, teilnehmen. Hier ist in dem Kampf um die „Besserung der Arbeitsbedingungen“ also der Weg der „Demokratie“ voll ausgebaut, und gerade hier bilden sich für Holland die ersten Ansätze des Selbsthandelns der Arbeiter. Man kann sagen, dass die Arbeiter ihre Organisation völlig in der Hand haben.

Wie oben schon bemerkt, können wir keine genügende Erklärung für diese Entwicklung geben. Man kann darauf hinweisen, dass die Praxis der ausgebauten „Demokratie“ gleich ihre Unzulänglichkeit bewiesen hat. Doch ist das nicht genügend, die mehr revolutionäre Gesinnung der städtischen Arbeiter zu erklären. Ihre Arbeitsbedingungen sind etwas besser als in den „privaten“ Betrieben, ihre „Rechtsposition“ ist besser gesichert, sie werden nicht so stark von den Schwankungen der „Konjunktur“ betroffen. In Beziehung zur „Privatwirtschaft“ haben sie ohne weiteres etwas zu verlieren.

Eine experimentelle Untersuchung nach den ideologischen Verhältnissen bei diesen Arbeitern ist durchaus wichtig.

Der Form nach haben diese Arbeiter also die revolutionäre B.O. verwesentlicht, dem Inhalt nach aber noch lange nicht. Diese Bewegung ist als revolutionäre Bewegung schließlich auch zum Tode verurteilt, weil sie bis jetzt doch nicht MEHR als eine Gewerkschaftsbewegung ist. Wie sie jetzt schon auf das tote Gleis geschoben wird, untersuchen wir nächste Woche.


Compiled by Vico, 20 August 2021