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Antonie Pannekoek Archives

Pressedienst

Quelle: a.a.a.p.


Pressedienst

Gruppe Internationaler Kommunisten (Holland) : p.i.k.: Pressedienst der Internationalen Kommunisten-Holland, 1928-1933. – Transkribiert und herausgegeben für Rätekommunismus ; Mitarbeit von der Association Archives Antonie Pannekoek; €15,80.


Die Gruppe Internationaler Kommunisten Hollands zum Programmentwurf der A.A.U.


Quelle:  Pressedienst der g.i.k., September 1930 (i.i.s.g. ); Transkribiert und herausgegeben für Rätekommunismus ; Mitarbeit von der Association Archives Antonie Pannekoek.


Doppelorganisation und Fraktionsbildung in der Unionsbewegung

Die Frage der Doppelorganisation ist im Augenblick noch ein Hindernis für den engeren Zusammenschluss der Unionsbewegung in Deutschland. Die a.a.u.-e verwirft die Existenz einer politischen Partei neben der Unionsbewegung als schädlich für die revolutionäre Entwicklung, – die a.a.u. (oder doch eine starke Richtung in der a.a.u.) erkennt die Möglichkeit an, dass sich in Zukunft eine Partei entwickeln wird, die zu einer treibenden Kraft in der Revolution werden kann. Dies ist der Unterschied in den Auffassungen über die Doppelorganisation. Beide Richtungen stimmen darin überein, dass die Unionsbewegung auf jeden Fall an keine Partei gebunden sein darf und völlig selbstständig ihre Haltung bestimmen muss.

Unter diesen Umständen scheint es uns ziemlich überflüssig, aus diesem Unterschied in der Auffassung eine Streitfrage zu machen. Und zwar, weil erstens die Übereinstimmung viel größer ist als die unterschiedliche Auffassung und dies zweitens eine Frage der zukünftigen Entwicklung ist, also eine Frage, die schon aus diesem Grunde nicht völlig zu übersehen ist.

In Übereinstimmung damit wird in dem ersten Entwurf des Genossen Pannekoek die Sache folgendermaßen beurteilt:

„Wir müssen im Augenblick diese Frage ruhen lassen, kommt Zeit, kommt Rat, die Frage muss beantwortet und aufgelöst werden, wenn sie sich praktisch ergibt, doch das ist im Augenblick nicht der Fall.“

Nun könnte man sich mit dieser Beantwortung der Frage einverstanden erklären, wenn die Vereinigte Unionsbewegung die Mitgliedschaft in einer politischen Partei zur Privatsache erklärte. Dieses natürlich in dem Sinne, dass ein Arbeiter nicht Mitglied der Unionsbewegung sein kann und zugleich noch einer Partei angehört, die die Grundsätze der Union bekämpft. s.p.d. und k.p.d. sind damit von vornherein ausgeschlossen, weil sie nicht auf der Grundlage der Klassendiktatur stehen. Doch die a.a.u.-e erklärt sich damit nicht einverstanden. Nach ihrer Meinung gibt es sowohl heute wie in Zukunft nur eine politische ökonomische Organisation, und das ist die Vereinigte Unionsbewegung. Darum schließt sie jeden, der sich obendrein noch in einer politischen Partei organisiert, aus. Die a.a.u.-e will also die Tür vor zukünftigen Entwicklungsmöglichkeiten schließen; die a.a.u. ist vorsichtiger und lässt die Bahn für die Entwicklung frei.

Wir müssen nicht die Augen vor der Tatsache verschließen, dass die Unionsbewegung in Deutschland im Augenblick sicher in fünf Richtungen auseinandergefallen ist und dass jede Richtung dabei in Wirklichkeit sich zu einer „politischen Partei“ entwickelt hat. Die Tatsache, dass so viele Richtungen in der Unionsbewegung entstehen konnten, gibt damit Grund, dass der gemeinschaftliche Nährboden der Unionsbewegung verschiedene Auffassungen über die Durchführung der Revolution und die Bildung des kommunistischen Wirtschaftslebens erzeugt. Es ist von Wichtigkeit, hierbei im Auge zu behalten, dass dies nicht nur eine Erscheinung aus der Zeit von vor der Revolution ist, sondern dass es vor, in und nach der Revolution so sein wird. Mit anderen Worten: Neben dem gemeinsamen Kampf um die Durchführung der allgemeinen Prinzipien der Rätebewegung wird zugleich der Kampf zwischen den verschiedenen Auffassungen bezüglich der Durchführung des Kommunismus fortgeführt. Die Revolution wird durch einen geistigen Umformungsprozess in der Arbeiterklasse selbst begleitet. Die Revolution in Westeuropa und Nordamerika kann diesen Prozess nicht unterdrücken, so wie es die Bolschewiki taten und noch tun. Auch in der Revolution müssen die Meinungen der Arbeiter, insoweit sie auf dem Standpunkt der Losung: „Alle Macht den Räten“ stehen, frei zum Ausdruck kommen können. Wird die freie Meinung in der Revolution unterdrückt, dann erreicht man wohl, dass verschiedene, noch rückständige Richtungen (oder auch, die wir für rückständig halten) nicht zu Wort kommen können, doch damit vernichtet man zugleich das Lebensprinzip, woraus der Kommunismus allein seine Kraft zieht: „die selbstständige Entwicklung der Klassenkräfte“. Die zu Räten zusammengefassten Massen müssen sich gerade an den verschiedenen Programmen der Parteien orientieren können.

Wie muss nun die Vereinigte Unionsbewegung sich gegenüber der Tatsache verhalten, dass verschiedene Auffassungen über die Durchführung der Revolution auf der Grundlage der Rätediktatur vorhanden sind? Heute und in Zukunft? Erklären sich die Unionen ohne Umwege als politische Partei, so dass die Arbeiter, außer der Vereinigten Unionsbewegung nur noch einem Karten – oder Schachclub angehören können, dann wird sich das unserer Meinung nach als sehr schädlich für die Unionsbewegung rächen.

Wir kommen zu dieser Auffassung, weil die Unionsbewegung wahrscheinlich umfangreicher wird im selben Moment, wenn der Klassenkampf intensiver wird. Wahrscheinlich finden die verschiedenen Richtungen in der Unionsbewegung als Ganzes dann den Weg zu der Vereinigten Unionsbewegung. Damit ist nicht gesagt, dass es zu einer Massenbewegung kommt. Im Verhältnis zu den Millionen Arbeitern bleibt die Vereinigte Unionsbewegung klein. Es soll damit allein gesagt werden, dass der kommende Kampf die Arbeiter mit denselben allgemeinen Grundsätzen in der Unionsbewegung zusammentreibt. Doch diese allgemeinen Grundsätze bedeuten noch keine homogene (einheitliche) Auffassung über die Durchführung der Revolution. Oder anders gesagt: Die allgemeinen Prinzipienerklärung lässt zwar, als Sieb wirkend, der Rätebewegung feindliche Auffassungen nicht durchlaufen, aber doch verschiedene Ideologien und Auslegungen der Rätediktatur.

Nun handelt es sich nicht darum, ob wir eine solche Entwicklung für nützlich und wünschenswert halten. Wir werden damit rechnen müssen, dass es so sein wird. Gerade darum aber wird es notwendig sein, dass die Arbeiter sich neben der Union nach ihrer besonderen Auffassung der auftauchenden Fragen organisieren und orientieren können, vor allem aber um ihre Auffassung vor der Front der ganzen Arbeiterklasse führen zu können.

Lässt die Vereinigte Unionsbewegung dies nicht zu, dürfen die Arbeiter sich nicht nach ihrer besonderen Auffassung organisieren, dann beginnt der Kampf zwischen den verschiedenen Auffassungen in der Unionsbewegung in der Form von Fraktionsbildung. Dann beginnt der Kampf um den Apparat, so wie es auch in allen anderen Parteien der Fall ist.

Zusammenfassend ist unsere Ansicht daher diese: Im Augenblick ist eine Doppelorganisation überflüssig, weil alle Richtungen noch getrennt marschieren. Die kommende Entwicklung aber hat Tendenzen, die darauf hinweisen, dass die Unionsbewegung durch Fraktionsbildung zerrissen wird. Die Freiheit der politischen Organisation bedeutet darum zugleich: Verbot der Fraktionsbildung als besondere Organisation innerhalb der Unionsbewegung.

Zur Frage der Doppelorganisation – II.

Wir erhielten von der a.a.u.-e Frankfurt einen Brief, indem wir um unsere Ansicht betreffs der Frage „Doppelorganisation“ gefragt wurden. Es wird darin auf die verschiedene Meinung in dieser Frage so wie sie einerseits bei der a.a.u.-e. und dem Bezirk Mitteldeutschland der a.a.u. und andererseits bei der a.a.u. vorherrscht, hingewiesen. Wir werden hier in Kurzem wiedergeben, wie in dem Brief die unterschiedliche Meinung formuliert ist.

Es wird darin gesagt: Die Mehrheit der a.a.u.d. steht auf dem Stand, dass die Union die Organisation sein muss, die alle kämpfenden Arbeiter umfasst. Davon ausgehend wird noch gesagt, dass außer der a.a.u. im Laufe der Zeit noch eine besondere Organisation nötig sein wird, die die fortgeschrittensten Arbeiter verbindet, um das kommunistische Prinzip hochzuhalten.

Die a.a.u.-e.a.a.u. vertreten die Ansicht, dass es nicht die Aufgabe der a.a.u. ist, alle kämpfenden Arbeiter in sich aufzunehmen, sondern dass die a.a.u. die Aufgabe hat, die Einheit der kämpfenden Arbeiter unter eigener Führung zu propagieren; die a.a.u. ist dann nur eine Organisation der aktivsten Propagandisten, die alle Kommunisten sind. Eine besondere Organisation von Kommunisten ist dann nicht nur überflüssig, sondern würde nur der Anlass zu schädlicher Fraktionsbildung sein.

Wir sehen, dass hier die Meinungsverschiedenheit ihren Grund hat in der Verschiedenheit der Auffassung über Rolle der a.a.u. in den kommenden Klassenkämpfen. Wir müssen also hierauf erst eingehen. Dazu wird es nötig sein, von dem Gesichtspunkte der Rätebewegung aus dem Klassenkampf zu betrachten, denn erst dann wird die Rolle der a.a.u. als ein Mittel im Klassenkampf im richtigen Licht erscheinen.

Wir sehen den Klassenkampf als das selbstständig handelnde und denkende Auftreten der ganzen Klasse und nicht von einer Minderheit. Aus den revolutionären Kämpfen der Nachkriegszeit haben wir diese Lehre gewonnen. Der Kampf kann nur dann im Interesse der Arbeiterklasse entschieden werden, wenn die Arbeiter von der Erkenntnis durchdrungen sind, dass sie selbst in allen Fragen zu beschließen haben, dass sie ihre Beauftragten selbst anweisen und ständig kontrollieren müssen. Dieses Prinzip in die Köpfe einzuhämmern, das ist die erste Aufgabe der Union. Gehen die Arbeiter nach diesem Prinzip in den Kampf, dann wäre es möglich, dass sie in Massen zu der Organisation übergehen, die diese Kampfesweise propagiert hat. In diesem Falle würde die Union zur Massenorganisation. Es ist aber auch möglich, dass die Massen neue Organisationen bilden, und dann bleibt die Union ein kleiner Kern. Für die Organisation des Klassenkampfes wird es in der Praxis wenig Unterschied ausmachen: In beiden Fällen wird die Masse sich im Betrieb organisieren, ihre Räte wählen und so unter eigener Führung in den Kampf eintreten. In beiden Fällen wird sie sich aber auch des Apparates der Union bedienen und der Verbindungen, die diese in der Zeit vor dem Kampf geschaffen hat.

Für die Union selbst ist die Frage natürlich nicht ohne Bedeutung, denn in dem einen Fall wird sie Massenorganisation, in dem anderen bleibt sie ein kleiner Kern der Propagandisten für den Kampf unter eigener Führung. Doch ist der Unterschied auch nicht so groß wie er erscheint. Denn eine Propagandaorganisation für den Kampf unter eigener Führung ist nur nötig, solange noch nicht gekämpft wird. Ist die Klasse einmal in Bewegung und in den Kampf eingetreten, dann heißt es, offene Türe einrennen und den Kampf weiter zu propagieren: Es handelt sich dann darum, ihn zu unterstützen. Wird die Union zur Massenorganisation und so zur Klassenorganisation, dann verändert sich ihr Charakter: Bilden die Arbeiter neue Organisationen, so kommt auf diesem Wege die Klassenorganisation, und die Union hat ihre Aufgabe erfüllt. Verläuft die Bewegung, ohne dass es zur Räteorganisation kommt, dann wird in dem einen Falle der kleine Kern übrig bleiben, weil die Massen die Organisation verlassen, und im anderen Falle wird die Union ihre Propagandaarbeit wieder aufnehmen. In beiden Fällen dasselbe Resultat.

Von dieser Seite kommt dann die Lösung der Frage, ob neben der Union eine politische Partei nötig ist, nicht heran, denn in beiden Fällen ist für oder gegen die Notwendigkeit einer Partei neben der Union gleich viel zu sagen.

Bisher hatten wir die Aufgabe der Union darin gesehen, dass sie die Propaganda zu führen hat für den einheitlichen Kampf unter eigener Führung. Doch damit ist das allgemeine Räteprinzip angegeben: Es ist die Grundlage, von wo aus der Kampf geführt wird, über das praktische Gesicht derselben ist damit noch nichts gesagt. Hier beginnen die Schwierigkeiten und damit auch die Meinungsverschiedenheiten. Die fortgeschrittensten Arbeiter werden um Klarheit ringen, um den richtigen Weg zu finden, und doch wird das Resultat sein, dass verschiedene Ansichten hierüber geboren und auch manifestiert werden. Jede dieser Ansichten wird versuchen, sich durchzusetzen und dies in der Form, dass man die anderen Auffassungen aufs Schärfste bekämpft. Die Klasse selbst wird den Beweis erbringen, welche Ansicht die richtige ist, und zwar auch in der Weise, dass sie sich jeweils eine der propagierten Auffassungen zu eigen macht und danach handelt.

Dies ist der Verlauf der Wirklichkeit und er ist durch nichts zu umgehen.

Das Prinzip des Kampfes unter eigener Führung kann die verschiedenen Ansichten als solche nicht aufheben, es sagt nur, dass die Arbeiter es schließlich selbst sein müssen, die zu bestimmen haben, welchen Weg sie zu gehen haben. Auffassungen über den Klassenkampf, die gegen dieses Prinzip im Widerspruch sind, werden allerdings von ihr verworfen, das heißt, dass sich die Rätebewegung als solche von der alten Arbeiterbewegung scheidet.

Wie ist nun die Stellungnahme der Union in dieser Frage? Wenn wir mit der a.a.u.-e. sagen würden, dass politische Parteien neben der Union von Übel seien und bekämpft werden müssten, dann kann sich das auch wiederum in verschiedener Weise auswirken. Wir können es einmal für verkehrt halten, dass der Arbeiterklasse abgerundete politische Programme vorgehalten werden, wonach sie sich orientiert, und fordern, dass vielmehr jeder einzelne Arbeiter individuell die Fragen durchdenkt und mit seinen Ansichten an den Tag kommt. In der Praxis wird dies nicht haltbar sein, schon aus dem Grunde, dass dann die Rätebewegung den alten Führerparteien geistig unterlegen sein wird. Diese treten auf mit einem geschlossenen Programm und werden dadurch jede andere Bewegung, die dies nicht hat, verwirren können, hätte sie auch noch so gesund begonnen. Wir können aber auch der Auffassung sein, dass ein mehr in den Einzelheiten herausgearbeitetes Programm wohl nötig ist, aber dass dies in der Union selbst möglich ist, weil sie doch aus Kommunisten besteht. Doch dann vergessen wir eins: Auch auf der Basis des allgemeinen Räteprinzips sind noch sehr weit auseinander gehende Meinungen möglich. Ist nun die Union diejenige Organisation, die neben der Propaganda des allgemeinen Räteprinzips das kommunistische Programm für die Revolution schaffen muss, dann findet von den verschiedenen Möglichkeiten schließlich nur eine ihre Wiedergabe im Programm. Die Arbeiter, die dann nach diesem Räteprinzip handeln wollen, haben es nicht mehr nötig, selber zu denken und sich für die eine oder andere Auffassung zu entscheiden, für sie gibt es nur die Möglichkeit, das Programm anzunehmen oder nicht. So wird die Union selber, aus Furcht vor Parteien, erst recht die Partei, die sich die Herrschaft anmaßt über die Arbeiterklasse.

Für die Union selbst ist mit einer solchen Einstellung noch eine andere Konsequenz verbunden.

Wenn die Union die einzige Organisation ist, die mit einem Programm für die Revolution auf den Plan treten darf, und der Kampf um dieses eine Programm muss in der Union selbst ausgefochten werden, dann wird der gefürchtete Fraktionskampf erst recht beginnen. Die einzige Möglichkeit, um seine Ansicht den Massen kundzugeben, ist dann, dass man den Apparat der Union in Händen hat. Der Kampf um das Programm wird damit zugleich ein Kampf um die Macht in der Organisation und sicher nicht nur mit Argumenten, sondern mit den bekannten politischen Intrigen. Damit wird zugleich eine lebendige Quelle der Revolution verschüttet. Wenn anders der Kampf zwischen den verschiedenen Meinungen dazu führt, dass jede Seite fortwährend ihre Ansichten verbessern und mit den starken Argumenten der Gegner anfüllen muss, worauf schließlich die Einheit in der Auffassung geboren wird, dann wird derselbe Kampf, eingepfercht in den organisatorischen Rahmen der Union, ein Kampf mit toten Parolen für ein unwirkliches Programm. Die schließliche Folge wird sein, dass die Union nicht mehr imstande ist, ihre erste Aufgabe zu erfüllen, nämlich das allgemeine Räteprinzip zu propagieren.

Wir kommen also im Gegensatz zur a.a.u.-e. zu dem Schluss, dass es den Mitgliedern der Union freigestellt sein muss, ob sie sich in Parteien organisieren wollen. Weil wir für freie Meinungsäußerung sind und gerade deshalb, weil wir dem vorbeugen wollen, dass der politische Kampf ein Kampf um die Macht innerhalb der Arbeiterklasse wird.

Nun gilt es noch auf die Frage einzugehen, ob, wenn man politische Parteien neben der Union zulässt, dieser besondere politische Kampf nicht ebenso gut entsteht, und selbst noch schärfere Formen annimmt, weil sich die Gruppen fester organisieren können. Das kann nun für die Union nicht zutreffen, weil die Propaganda der Union sich auf das allgemeine Kampfprinzip beschränkt und das Besondere den jeweiligen Beschlüssen während des Kampfes überlässt. So werden die Funktionäre in der Union dann nicht angewiesen [?] nach ihrer jeweiligen politischen Stellungnahme, sondern nach ihrer Fähigkeit, und es wird wohl keine Partei geben, die hierin ein Monopol hat. Der politische Kampf in und außerhalb der Union ist dann kein Kampf um die Macht in der Organisation, sondern ein Kampf, um andere zu überzeugen. Nur die Anschauungen, die sich fortwährend erneuern und verbessern, werden gewinnen. Es wird kein gegenseitiger Vernichtungskrieg mehr sein, sondern ein in der Entwicklungslinie liegender „Kampf ums Dasein“ der verschiedenen Auffassung (der eine Besserung der Gattung herbeiführt).

Eine andere Lösung der Frage ist es, wenn nicht eine Union besteht, sondern verschiedene, wobei jede Richtung eine besondere Union mit eigenem Programm bildet und die Zugehörigkeit zu einer (anderen) Partei ihren Mitgliedern verbietet. Das wäre in der Praxis dann nichts anderes, als dass verschiedene politische Parteien bestehen, die alle auf der Grundlage des allgemeinen Räteprinzips stehen, die Propaganda dafür aber getrennt anstatt geschlossen führen. Das ist mehr oder weniger der Zustand, den wir jetzt haben, wo a.a.u.d. und a.a.u.-e. und die anderen Gruppen nebeneinanderstehen, ein Zustand, den man offensichtlich überwinden will. Die Mängel einer solchen Auflösung ist Kräftezersplitterung, insoweit es die Propaganda für das allgemeine Räteprinzip angeht die Gefahr der Erstarrung, weil der gegenseitige Kontakt verloren geht und weiter, dass Klassengenossen, die nicht genau mit den verschiedenen Auffassungen übereinstimmen, kein Unterkommen finden.

Und nun das Wort Doppelorganisation

Im gewissen Sinne sind wir für Doppelorganisation, denn sicher besteht ein Unterschied zwischen den Aufgaben der Union und denen der Partei.

Denn während die Union, gerade weil sie jeden Arbeiter, der aktiv die Propaganda für den Kampf unter eigener Führung vertritt, umfassen will und es in ihrem Programm nicht weiter als zur Festlegung dieses allgemeinen Räteprinzips geht, bleibt die Partei hierbei nicht stehen. Die Partei sucht, ausgehend von diesem allgemeinen Prinzip, für jede auftauchende Frage eine Lösung. Die Partei ist hier kein Vormund mehr, sondern ein Werkzeug, das der Rätebewegung dient. Doch eine Doppelorganisation, in dem Sinne, dass es bestimmt zwei Organisationen nebeneinander sein müssen (wie Partei und Gewerkschaft), ist es nicht. Es könnten ebenso gut zehn Organisationen nebeneinander sein, denn neun Bevormunder neben der einen Union wären nicht möglich, aber neun Helfer wohl.

Wenn wir nun in dieser Frage die Auffassung der a.a.u.-e. bekämpfen, dann ist damit noch nicht gesagt, dass wir dadurch mit der a.a.u.d. übereinstimmen. Es ist selbst nicht unwahrscheinlich, wenn man die Vergangenheit der a.a.u.d. ins Auge fasst, dass bei der Richtung in der a.a.u.d., die eine Partei für nötig hält, noch eine Dosis sozialdemokratischer Ideologie vorhanden ist, die man noch nicht losgeworden ist. Aus dem Vorhergehenden wird übrigens zu ersehen sein, dass wir uns hiergegen ebenso gut wenden. Gerade um die Bevormundung durch eine Partei zu vermeiden, halten wir es für nötig, dass es den Mitgliedern der Union überlassen bleibt, ob sie sich nach ihrer jeweiligen Auffassung in Parteien organisieren wollen.

Zur Frage der Doppelorganisation – III.

In dem Schreiben der Frankfurter Mitglieder der a.a.u.-e. wird sehr richtig der Gegensatz hervorgehoben zwischen der von uns formulierten und auch von der Programmkommission in der R.K. [?] Nummer 8 zum Ausdruck gebrachten Auffassung und den in früheren Jahren herrschenden Auffassungen über die Union. Wir wollen ihn hier noch näher beleuchten.

Die Union entstand in den Revolutionsjahren durch den Zusammenschluss der als kämpfende Einheiten, als Klassenorganisation auftretenden Belegschaften. Solange die Revolution im Aufstieg war oder sich wieder erheben konnte, stellte die Union sich auf die Möglichkeit ein, dass überall die Arbeiterschaft in dieser Weise in den Kampf treten und sich ihr anschließen werde. So wäre sie zu der kämpfenden einheitlichen Gesamtklasse geworden – im Gegensatz zur gewerkschaftlichen Zersplitterung. In diesem Charakter gehörten alle Arbeiter zu ihr, die als einheitliche Masse zusammen in den Kampf eintraten; eine bestimmte kommunistische Überzeugung war nicht nötig, nur der Wille zum Kampf. Deshalb stand neben ihr eine andere, kleinere Organisation von klar bewussten Vorkämpfern mit kommunistischer Überzeugung, gleichsam die Kerntruppe, die aufgrund ihrer Einsicht schon vor den Kämpfen den Weg und die Taktik des Kampfes angeben und vorbereiten konnte. Das war damals die k.a.p. Das Verhältnis der beiden ähnelte also einigermaßen dem früheren zwischen Sozialdemokratischer Partei und den Gewerkschaften. Dass dieses Verhältnis nicht bestehen bleiben konnte, lag unter anderem daran, dass in dem modernen Kapitalismus eine Trennung zwischen politischem und wirtschaftlichem Kampfe nicht mehr möglich ist, also für zwei Organisationen, eine kleinere für den politischen und eine größere für den wirtschaftlichen Kampf, auch kein richtiger Raum mehr war. An die Stelle der politischen Partei sollte dann die kommunistische Kerntruppe innerhalb der Union treten.

Soweit die Theorie. Wie aber war die Praxis, die Wirklichkeit? Unter dem fortschreitenden Zurückebben der revolutionären Kraft schmolzen die Unionen zusammen, und es blieben nur die bewusstesten, kampffähigsten, revolutionärsten der Mitglieder übrig. Damit hat sich ihr Charakter völlig umgeändert. Sie ist selbst Kerntruppe geworden; man darf doch ruhig annehmen, dass alle, die noch in ihren Reihen geblieben sind, bewusste revolutionäre Kommunisten sind. Der Standpunkt, den wir nun in unserer Zuschrift vertreten haben, ist dieser: sich auf den Boden stellen der Wirklichkeit. Das heißt: Ausgehen von der Union, wie sie ist, nicht wie sie vor 10 Jahre gedacht war. Die Union selbst soll Kerntruppe bewusster Klassenkämpfer bleiben; denn dann hat sie die große Aufgabe, durch Klärung, Propaganda, Einwirkung auf jeden Teilkampf und in jeder politischen Lage die künftigen Massenbewegungen des Proletariats vorzubereiten und ihnen Richtung zu geben. Man könnte jedoch fragen: Wenn diese einmal ausbrechen, sollte dann aber doch nicht wieder Anlass sein zu einer Union im alten Sinne, als Zusammenfassung der kämpfenden Belegschaften? Wir glauben, dass eine solche Bewegung einen so großen Umfang haben wird, so große Teil der ganzen Klasse umfassen wird, dass sie keine besondere Organisation unter dem Namen Union braucht, sondern als Räteorganisation der ganzen Klasse auftreten wird. Das wäre übrigens eine Namensfrage, während es sich jetzt um die Sache handelt: die bestehende vorhandene Kerngruppe für die Aufgabe des revolutionären Klassenkampfes möglichst zu einigen und zu rüsten. Die a.a.u. der vorigen Revolutionszeit hat in Deutschland die ersten praktischen Vorbilder des neuen politischen Klassenkampfes gegeben, und gleichzeitig im Kleinen gezeigt, was nachher im Großen die Kraft der politischen Revolution bilden wird; von den Lehren dieser Praxis ist die heutige Union die Trägerin geblieben.

Die Antwort auf die Fragen der Frankfurter Genossen kann also nach unseren Auffassungen ganz einfach gegeben werden: Innerhalb der Union wird es keinen Gegensatz zwischen einem kommunistischen Kern und einer unklaren Masse geben. Sie besteht nur aus Arbeitern, die den Kommunismus und den Klassenkampf verstehen und wollen. Zu einer Doppelorganisation und zur Fraktionsbildung ist kein Anlass.

Vielleicht erhebt sich die Frage, wo dann diejenigen Arbeitergruppen gesammelt werden sollen, die sich von den Gewerkschaften lossagen aus Empörung über deren Politik, ohne noch zielklare Kommunisten zu sein. Praktisch kommt das heute kaum vor, aber es könnte etwa in Zukunft eine massenhafte Erscheinung werden. Wäre es aber angebracht, für eine unsichere Möglichkeit in der Zukunft die Notwendigkeiten von heute zurückzustellen? Trifft das Bedürfnis nach einem solchen Sammelbecken ein, so wird sich auch das Mittel dazu schaffen lassen. Wer sich heutzutage von den Gewerkschaften lossagt wird in der Regel ein so großes Interesse an Selbsterklärung empfinden, dass die Union ein richtiger Platz für ihn ist.

Die Frage der Doppelorganisation, sollte man glauben, sei jetzt keine Frage mehr, da sie einem früheren, überwundenen Zustand der Arbeiterbewegung entspricht. In der Vorkriegszeit, als die Sozialdemokratie aufkam, war die doppelte Organisation, Partei neben Gewerkschaft, notwendig, weil der Kampf gegen die Regierung und der gegen die Unternehmer getrennt waren und beide um kleine Reformen im Kapitalismus handelten. Die Partei war der Ort der politischen, revolutionären Überzeugung, des Wissens über Entwicklung der Gesellschaft; in der Gewerkschaft suchte man alle Arbeiter zu sammeln, und sie wurden geachtet, als solche keine politische Meinung zu haben. Aber die Union ist keine Gewerkschaft. Soll man jetzt den Unionsleuten zumuten, [wie?] solche überzeugungslosen, neutralen Leute zu scheinen? [?] – Nicht [politisch?] zu sein, denn sie sind ja alle doch Kommunisten und, um über Revolution und Kommunismus frei reden zu können, zuerst in einer anderen Organisation, eine Partei einzutreten? Und das jetzt, zu einer Zeit, da Staat und Unternehmertum nicht zu unterscheiden sind, da jede Lohn- und Arbeitsfrage eine politische Frage ist, da jede politische Frage zu einer Frage von Revolution wird, und da, wer über Arbeiterrevolution spricht, sofort über Betriebsorganisation und Rätesystem spricht. Welche und was für eine Partei sollte das sein? Eine antiparlamentarische Partei, wenn sie nichts anderes als nur die Revolution des Proletariats und alle Macht den Räten will, würde genau dieselbe Frage wie die Union in genau derselben Weise behandeln und sich genau dieselben Ziele stecken. Mit den vorhandenen Parteien sind allerdings Unterschiede vorhanden: hauptsächlich in der mehr zentralistischen Organisation und in der Rolle, die sie der Partei als Führer und Träger der Revolution zuweisen.

Die Frage der Doppelorganisation hängt mit der Frage der Fraktionsbildung zusammen, indem gesagt wird: Wenn keine Doppelorganisation da ist, werden die unvermeidlichen Verschiedenheiten in politischen Ansichten innerhalb der Union zur Bildung von Fraktionen führen, die die Einheit zerreißen. Stellen wir die Gegenfrage: Man gebe diesen Differenzen den Ausweg, sich in fünf politischen Parteien zu verkörpern, die einander befehden – glaubt man dann, dass diese Leute friedlich, brüderlich in der Union nebeneinanderstehen werden? Alle bisherige Erfahrung zeigt das Gegenteil: Solche Überzeugungen, die den ganzen Menschen erfüllen, weil es um die höchsten Klasseninteressen geht, zieht man nicht wie einen Mantel aus; und die Union ist kein neutraler Geselligkeitsverein, sondern ein Kampfverein, dessen Ziele derselben Streitfragen voll sind. Aber werden die Meinungsverschiedenheiten hier zu Fraktionsbildung und Spaltung führen müssen? Nie waren die großen politischen Vereine und Parteien in der Geschichte völlig uniform im Denken; das wäre der geistige Tod gewesen. Immer waren sie voll des inneren Streits, der ja das treibende Element des geistigen Lebens war. Nur wenn mitten in der Praxis der Umwälzungen die Gegensätze so wuchsen (wegen des Fortschreitens der Revolution), dass man einander lähmte, musste man sich trennen. Aber man soll auch nicht die Tradition der Parteien von früher unbesehen auf die Union übertragen. Das Wort Fraktionsbildung hatte doch einen bestimmten, bösen Klang. Jene politischen Parteien waren Instrumente der Macht, die für sich die Macht anstrebten oder besaßen. Jeder Führer suchte für sich persönlich Machtmittel der Partei. Fraktionsbildung war ein Mittel, den Apparat der Partei in seine Hände zu bringen, war ein Streben nach Macht. Der Vorwurf „Fraktionsbildung“ bedeutete die Beschuldigung der geplanten Verschwörung, der Usurpation gegen die bestehenden Führer. Eine Organisation jedoch, die nicht selbst die Macht für sich erobern will, sondern die Klasse, die proletarische Masse zur Macht bringen will, bietet für Fraktionsbildung wenig Anlass und hat wenig darunter zu leiden. Aber Meinungsverschiedenheiten und innerer Streit innerhalb des gemeinsamen Zieles werden deshalb nicht fehlen.

Nachschrift

Die drei vorliegenden Artikel sind nicht mehr als eine vorläufige Orientierung in der Frage der Parteibildung nach Anlass einer Bitte der Genossen der Frankfurter a.a.u.-e. Mehr haben wir vor Weihnachten nicht leisten können, weil wir mit Arbeit überlastet sind. Wir werden sobald wie möglich auf diese wichtige Frage der alten und neuen Parteibildung zurückkommen.

Der dritte Artikel gibt die Auffassung einer Minderheit in unserer Gruppe betreffs dieser Frage wieder, die beiden anderen den Standpunkt der Mehrheit.


Compiled by Vico, 21 August 2021