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Antonie Pannekoek Archives

Rätekorrespondenz

Quelle: a.a.a.p.


Rätekorrespondenz

Internationale Rätekorrespondenz 1934-1937 / Gruppe Internationaler Kommunisten (Holland). – Transkribiert und herausgegeben für Rätekommunismus ; Mitarbeit von der Association Archives Antonie Pannekoek, Dezember 2020, 504 S., € 13,16, ISBN 979-8551636052


Arbeiterräte und kommunistische Wirtschaftsgestaltung


Quelle:  Arbeiterräte und kommunistische Wirtschaftsgestaltung. – In: Internationale Rätekorrespondenz : Theoretisches und Diskussionsorgan für die Rätebewegung.  – Ausg[abe]. der Gruppe Int[ernationaler]. Kommunisten, Holland. – 1934, Nr. 5 (Oktober); Quelle der Transkription: Rätekommunismus , Dezember 2020, Mitarbeit von der Association Archives Antonie Pannekoek.


Der Weg zurück

In Nr. 2 der „Rätekorrespondenz“ brachten wir Thesen zum Abdruck, worin die Auffassung von SPD- oder SAP-Anhängern über den Weg zum Sozialismus wiedergegeben wird (1).

Nach dem völligen Zusammenbruch der reformistischen Politik erklären sie sich für den „revolutionären“ Weg. In These 2 nennen sie das einen „radikalen Bruch“ mit der bisherigen Politik, wodurch „eine grundlegende Änderung in den Mitteln und Methoden des politischen Kampfes und seinen konkreten Zielsetzungen“ erforderlich sei. Als Ziel wird dann eine „sozialistische, deutsche Räterepublik, die von der Diktatur des Proletariats beherrscht wird“ –  These 3 – angegeben.

Auf den ersten Blick scheint dies wirklich ein radikaler Bruch mit der alten sozialdemokratischen Politik zu sein, denn eine „sozialistische Räterepublik“ und „die Diktatur des Proletariats“ wurden von der s.p.d. aufs heftigste bestritten. Aber aus den folgenden Thesen (4-7), worin die Rolle der Partei vor und nach der Revolution behandelt wird und wo gesagt wird, dass zwar die Arbeiterräte die Organe der „Diktatur des Proletariats“ sein sollen, doch unter der „Führung“ der Partei, ist unzweideutig zu erkennen, dass von einem radikalen Bruch mit der sozialdemokratischen Politik keine Rede sein kann.

Richtiger wäre schon zu sagen, dass man zu den Ausgangspunkten sozialdemokratischer Politik und den alten Auffassungen über den Weg und das Ziel des Sozialismus zurückkehren will. Denn dass die s.p.d. der Kriegs- und Nachkriegszeit keine sozialistische Politik mehr geführt hat, sondern gerade auf dem Wege des Reformismus zu einer demokratischen Reformpartei herabgesunken war, kann doch wohl nicht mehr bestritten werden. Eben weil diese demokratische Reformpolitik im Faschismus endete, kann von einem Bruch mit dieser Politik nicht gesprochen werden. Man kann nicht brechen mit einer Politik, die es nicht mehr gibt.

Die alte s.p.d. wollte den „Sozialismus“ (die reindemokratische s.p.d. wollte keinen Sozialismus mehr und darum auch keine Diktatur des Proletariats), aber sie wollte ihn auf dem Wege der Ausnutzung legaler Möglichkeiten, die die bürgerliche Demokratie scheinbar bot. Die s.p.d. ist mit dieser bürgerlichen Demokratie, mit der sie auf Gedeih und Verderb verwachsen war, zu Grunde gegangen. Wer jetzt noch den Sozialismus erringen will, findet solche legalen Möglichkeiten nicht mehr vor und muss demnach auf anderen Wegen zum Ziel zu gelangen suchen: Das ist nicht anders denkbar. Aber dieser Weg, den die Thesen umschreiben wollen, unterscheidet sich in keinem einzigen Punkte von den Auffassungen, die darüber in der alten (noch nicht verbürgerlichten) Sozialdemokratie vorhanden waren.

Die Thesen 4-7 zeigen dies in voller Deutlichkeit. Sie bringen nichts anderes als die Auffassungen der russischen sozialdemokratischen Partei (Bolschewiki), die den demokratischen Weg der deutschen SP nicht gegangen ist.

Es ist auch hier die „zielklare revolutionäre Partei“, „die Avantgarde“, die die Massen in den Kampf und zum Siege führt, Massenbewegungen, Massenstreiks und den bewaffneten Aufstand vorbereitet und organisiert. Und nach dem Siege ist es wiederum die Partei, unter deren Führung die Arbeiterräte als Staatsorgane wirken sollen und die Arbeiter und Angestellten in Industrieorganisationen organisiert werden. Wenn noch ein Zweifel vorhanden sein sollte, wem die wirkliche Macht in dieser sozialistischen Räterepublik zugedacht ist, dann wird er durch These 7 beseitigt:

„Die Sicherung der Macht übernimmt bis zur Schaffung einer sozialistischen Armee, das bewaffnete Proletariat.“

Das heißt mit anderen Worten, dass die bewaffneten Arbeiter, die zur Niederwerfung der faschistischen Staatsgewalt nötig sind, nach dem Siege die Waffen aus der Hand geben sollen zugunsten einer „sozialistischen Armee“, die natürlich unter dem Kommando der Partei steht.

Von allen Umhüllungen entblößt, bleibt die alte sozialdemokratische Auffassung über Weg und Ziel des Sozialismus, die in der Eroberung der politischen Macht durch die sozialdemokratische Partei Anfang und Ende des Kampfes um den Sozialismus sieht.

Nun hat gerade die Entwicklung der russischen Revolution bewiesen, dass eine Ausübung der Staatsgewalt durch die Partei keine „Diktatur des Proletariats“ genannt werden kann; auch keine Diktatur des Proletariats durch die Diktatur der Partei – wie die russische Sozialdemokratie es formuliert –, sondern eine Diktatur über das Proletariat. Das findet seinen Grund darin, dass der von der Partei beherrschte Staat, wenn er die in der Revolution zerschlagene privatkapitalistische Wirtschaft zur Staatswirtschaft umgestaltet, die Arbeiter erneut als Lohnarbeiter dieser staatlichen Bewirtschaftung unterordnet.

Die Thesen 7-17 lassen erinnern, dass man auch in dem Aufbau des „Sozialismus“, d.h. in der Wirtschaftsgestaltung durch den von der Partei beherrschten Staat, dem russischen Vorbild folgen will. Der wesentliche Inhalt dieser Wirtschaftsgestaltung ist, dass die Produktionsmittel zu Staatseigentum erklärt werden und der Staat als einziger Wirtschafter unter der Kontrolle der Arbeiterräte auftritt. Kleinbesitz in der Landwirtschaft und im Gewerbe sollen – offenbar nur eine Konzession an die augenblicklichen Zustände – eine selbständige Existenz behalten.

Lohnarbeit und Staatswirtschaft

Der Sozialismus, den man aufbauen will, erweist sich demnach als Staatswirtschaft, die bei einer planmäßigen Führung der Wirtschaft, bei Ausschaltung der zerstörenden Konkurrenz und des Kapitalgewinns, zusammengehend mit der vollen Anwendung der gesteigerten Produktivkräfte, die Lebenslage der Massen im Allgemeinen zu heben gedenkt (2).

Gerade weil der Privatbesitz an den Produktionsmitteln einer rationellen Wirtschaft im Wege steht, ja, in der Dauerkrise die Anwendung der Produktivkräfte überhaupt verhindert, erscheint die Aufhebung des Privatbesitzes als nächstes Ziel. Daraus folgt dann die Zusammenfassung der Wirtschaft unter der Zentralgewalt des Staates. Und hier ist es die Aufgabe der Wissenschaftler, Statistiker, Ingenieure usw., den eigentlichen Aufbau zu vollziehen. So erscheint die sozialistische Wirtschaftsgestaltung als ein organisatorisches Problem (3), als eine absolute Verallgemeinerung und endgültige Vollendung der vom Kapitalismus in der Trust- und Kartellbildung schon vorgebildeten Tendenz. Der Staat wird zum Mammuttrust, der durch Organisation die Hindernisse, die einer weiteren Entfaltung der Produktion im Wege stehen, überwindet.

Die russische Entwicklung hat bewiesen, dass eine solche Staatswirtschaft nichts anderes sein kann als Staatskapitalismus. Der Arbeiter bleibt Lohnarbeiter, jetzt gebunden durch staatliche Arbeitspflicht (These 11). Er arbeitet in Staatsbetrieben und verkauft seine Arbeitskraft an den Staat. Sein Lohn ist der Preis, den der Staat ihm dafür zahlt. Damit tritt der Staat an die Stelle des enteigneten Privatkapitalisten. Er ist es, der jetzt das Kommando über die Lohnarbeit ausübt und damit auch die Arbeiter beherrscht und ausbeutet.

Die Arbeitskraft wird, genau wie im Privatkapitalismus, zur Ware: Sie wird einem schon erzeugten Produkt (den Lebensmitteln, die der Arbeiter durch den Lohn erhält) gleichgesetzt. Sie wird zur Ware, das heißt auch, dass sie zur Sache degradiert, von allem persönlichen Willen entblößt wird. Sie wird vom Subjekt zum Objekt. Da aber der Arbeiter nicht von seiner Arbeitskraft getrennt werden kann, gilt für den Lohnarbeiter dasselbe, er wird zur Sache, zum Objekt degradiert, um von dem Besitzer der Produktionsmittel auch als „ein Mittel, um zu produzieren“, angewandt zu werden (4). Es braucht keiner weiteren Auseinandersetzung, um sagen zu können, dass mit der Tatsache, dass in dieser, als Sozialismus angekündeten Staatswirtschaft, der Arbeiter Lohnarbeiter bleibt, auch über seine gesellschaftliche Stellung entschieden ist.

Aber an dem russischen Beispiel ist nicht nur zu sehen, dass der angekündete Sozialismus in Wahrheit Staatskapitalismus ist. Es hat sich nicht nur erwiesen, dass die Staatsproduktion keine Produktion für den Bedarf, sondern gewöhnliche Warenproduktion ist. Es bildete sich auch eine neue herrschende Schicht heraus, die über das Staatseigentum verfügt und dadurch eine bevorzugte Stellung einnimmt. Diese Schicht ist an dem weiteren Ausbau der Staatsmacht interessiert, weil es eben diese Staatsmacht ist, die ihre bevorzugte Stellung in der Gesellschaft garantiert. Sie gibt auch die Richtung in der weiteren Entwicklung an, denn in ihren Händen sind alle materiellen Mittel und sonstigen Kräfte der Gesellschaft konzentriert. Und was kann sie anderes tun, als nach Vermehrung des Staatsbesitzes und Vergrößerung der Staatsmacht zu streben?

Einmal die gesellschaftliche Produktion als staatliche Bewirtschaftung gestaltet, folgt sie einer Entwicklung, die durch die damit geschaffenen Machtverhältnisse bestimmt wird.

Die Arbeiter werden enteignet, jeden Tag aufs neue, wenn sie Arbeit verrichten; und zwar durch den Staat, den alleinigen Besitzer, der sich die Erzeugnisse der Arbeit aneignet. Der Staat ist Besitzer, Verwalter des gesellschaftlichen Reichtums. Er ist Organisator, Führer und Leiter des gesellschaftlichen Produktionsprozesses. Und er ist zugleich die Macht, die den Anteil der Einzelnen bestimmt und die Güter verteilt (5). Es ist eine gesellschaftliche Organisation, die man am besten begreift, wenn man sich den administrativen Apparat aller privatkapitalistischen Unternehmungen, Aktiengesellschaften vereinigt denkt mit der politischen Staatsgewalt. Der Staat als einziger Bewirtschafter ist nichts anderes als eine solche Zusammenschmiedung aller Verwaltungsorgane des privaten Besitzes: Denn ebenso wie die Administration des privaten Kapitals unproduktiv ist und nur als Organ zur Aneignung fremder Arbeitsprodukte dient, so schafft auch der bürokratische Apparat des Staates kein Produkt und hat er keine andere Aufgabe, als was durch Lohnarbeit in den Staatsbetrieben erzeugt ist, dem Staate zu sichern.

Die Entwicklung der staatlichen Bewirtschaftung wird damit gekennzeichnet durch einen Zwiespalt, der sich fortwährend vertiefen muss (6). Auf der eine Seite Anhäufung von Besitz und Macht in den Händen der Staatsbürokratie, denn sie ist der Staat; auf der anderen Seite die Lohnarbeiter, deren Arbeitserzeugnisse vom Staat angeeignet werden.

Je mehr der Reichtum der Gesellschaft als Staatsbesitz wächst, um so größer ist die Ausbeutung der Lohnarbeiter, um so machtloser sind sie. Mit dem Reichtum der Gesellschaft als Staatsbesitz wächst auch das Elend der Lohnarbeiter, der Klassenkampf zwischen Lohnarbeiter und Staatsbürokratie ist seine notwendige Folge. Um sich in diesem Kampfe zu behaupten, bleibt der Bürokratie keine andere Wahl als den Unterdrückungsapparat des Staates auszubauen; er muss wachsen im selben Maße wie der Zwiespalt tiefer wird, je reicher der Staat, je grösser das Elend der Arbeiter, je schärfer der Klassenkampf.

Proletarische Problemstellung

Die Lohnarbeiter können mit diesem „Sozialismus“ nicht zufrieden sein, auch wenn er sie mit materiellen Gütern segnen sollte (was übrigens sehr zu bezweifeln ist). Sie müssen danach streben, dass die Kapitalherrschaft auch für sie aufgehoben wird. Ihr Kampf richtet sich darauf, das Kapitalverhältnis selbst aufzuheben; dass sie nicht mehr als Arbeitskraft gekauft und als eine Produktivkraft, den Maschinen gleichgesetzt, unter dem Kommando der neuen Herrscher in den Produktionsprozess eingereiht werden. Sie müssen selbst zum Herren der Produktion, ihrer eigenen und maschinellen Produktivkräfte werden. Sie selbst müssen die Produktionsmittel in Besitz nehmen, um diese im Namen der Gesellschaft, unter Verantwortung an diese Gesellschaft, zu bewirtschaften und zu verwalten. Sie müssen sich selbst zum Führer und Leiter der Produktion, zum Verwalter und Verteiler der erzeugten Güter emporschwingen, wenn sie die Menschheit in der klassenlosen Gesellschaft vereinen und selbst nicht erneut in Knechtschaft fallen wollen.

Aus diesem Streben, anders als bei den Intellektuellen, ergibt sich auch eine andere Problemstellung, eröffnen sich neue Gesichtspunkte. Es bilden sich dadurch Auffassungen über die Regelung der gegenseitigen Beziehungen der Menschen in der gesellschaftlichen Produktion, die der Intellektuellenschicht unbegreiflich scheinen und die sie als utopisch und undurchführbar erklären. Aber diese Auffassungen haben in den revolutionären Erhebungen der Lohnarbeiter, der modernen Proletarier, schon eine gewaltige Kraft entfaltet. Diese Kraft zeigte sich zuerst in größerem Maße in der Pariser Kommune, die die Zentralgewalt des Staates durch die Selbstverwaltung der Kommunen zu überwinden trachtete. Sie bewirkte u.a. auch, dass Marx seine Auffassung, dass die Staatswirtschaft die Überwindung der Klassengesellschaft bringen werde (im „Kommunistischen Manifest“ niedergelegt) fahren ließ. In den Arbeiter- und Soldatenräten der russischen und deutschen Revolution von 1917-1923 erstand sie aufs neue zu gewaltiger, zeitweise alles beherrschender Gewalt. Und es ist in Zukunft keine proletarisch-revolutionäre Bewegung denkbar, worin sie nicht eine immer mehr in den Vordergrund tretende, schließlich alles beherrschende Rolle spielen wird. Es ist das Selbsthandeln der breiten Arbeitermassen, das sich in den Arbeiterräten manifestiert. Hier ist nichts Utopisches mehr, es ist reale Wirklichkeit. In den Arbeiterräten hat das Proletariat die organisatorische Form geschaffen, worin es seinen Befreiungskampf führt.

So ist es dann auch keine Utopie, keine leere Theorie, dass diese Arbeiterräte dort, wo sie sich um die Produktion gruppieren, in den Betrieben, als Betriebsorganisationen die Produktionsmittel selbst in Besitz nehmen und die Produktion selbst leiten und führen wollen. Es ist eine Forderung, die im Laufe der Entwicklung von breiten Arbeitermassen erhoben wird. Und die Intellektuellenschicht wird dieses Streben mit Gewalt unterdrücken müssen, wenn sie ihr Kommando in der Staatswirtschaft behaupten will.

Die Problemstellung in den Fragen der Wirtschaftsgestaltung ist vom Gesichtspunkte der Arbeiterräte aus nicht, wie die Produktion beherrscht und in diesem Sinne am Besten organisiert werden muss, sondern wie die gegenseitigen Beziehungen der Menschen zu einander und untereinander im Zusammenhang mit der Produktion geregelt werden sollen. Denn die Produktion ist in ihren Augen kein sachlicher Vorgang mehr, in dem die Arbeit des Menschen und das Erzeugnis derselben von ihm getrennt wird, den man berechnet und dirigiert wie totes Material, sondern sie ist für sie die Lebensäußerung der Arbeiter selbst. Ist die Produktion – die Lebensäußerung der Menschen, wenn jeder arbeiten muss – schon heute gesellschaftlich in der Praxis, dann kann auch die Teilnahme der Menschen daran, ihre eigene Lebensäußerung, gesellschaftlich geregelt werden, ohne sie wiederum ihren eigenen Arbeitsinstrumenten gleichzusetzen und dem Kommando einer besonderen Schicht zu unterwerfen. Ist das Problem einmal so gestellt, dann ist die Auflösung auch nicht mehr so unwahrscheinlich und ziemlich leicht zu finden. Sie bietet sich auch hier wie von selbst an. Es ist die Arbeit der Menschen selbst, ihre eigene Lebensäußerung auf dem Gebiete der Produktion, die als Maßstab für die Regelung der Beziehungen untereinander dient. Die Arbeit der Einzelnen sowohl wie ihrer Vereinigung in Betriebsorganisationen, einmal als bestimmenden Faktor bei der gesellschaftliche Regelung der gegenseitigen Beziehungen allgemein durchgeführt, ist für irgendwelche Leitung und Führung, die selbst nicht an der Produktion teilnehmen, die nur Herrschaftsfunktionen ausüben und sich die Erzeugnisse von anderen zueignen, kein Raum mehr.

Die Arbeiterräte

Die Thesen lassen erkennen, dass man nicht an die schöpferische Kraft des Proletariats glaubt. Auch nicht nachdem die Arbeiterräte als eine nicht wegzuleugnende Tatsache dafür den Beweis brachten. Kein Führer der Sozialdemokratie, selbst Lenin nicht, hatte vor 1917 die Bedeutung der Arbeiterräte erkannt, und doch spielten sie in der russischen Revolution von 1905 in Petersburg schon eine wichtige Rolle. Erst als im Jahre 1917 in Russland, dann in Deutschland usf., die Arbeiterräte sich als die Kampfesform des revolutionär handelnden Proletariats erweisen; als die breiten Arbeitermassen durch die Arbeiterräte Politik und Wirtschaft entscheidend beeinflussen, erst dann wendet sich die Aufmerksamkeit der politischen Größen der Sozialdemokratie ihnen zu. Aber durchaus nicht in dem Sinne, dass man darin den ersten selbständigen Schritt des Proletariats erblickt, der dazu führt, dass es selbst seine Geschicke bestimmt. Die Arbeiterräte sind ihnen eine neue Erscheinungsform derjenigen Kraft, die dazu dienen muss, sie selbst an die Macht zu bringen. Das Proletariat, diese gewaltige noch stets anwachsende gesellschaftliche Kraft, ist in ihren Augen eben nur gesellschaftliche Kraft, wie die Produktionskräfte in den Betrieben – eine Kraft, die man anwendet, um bestimmte Resultate zu erreichen, um ausgearbeitete Pläne zu verwirklichen. So ist das Denken des Intellektuellen als Führer des kapitalistischen Produktionsprozesses, und so ist auch sein Denken, wenn er als Sozialdemokrat die gesellschaftlichen Kräfte zu führen gedenkt. Das Proletariat hat bei ihm kein selbständiges Denken; es denkt und handelt so wie seine Führer denken. Darum muss die „Revolutionär Marxistische Partei“ (These 6) die Führung in Händen haben, wenn die proletarischen Kräfte entsprechend den sozialistischen Plänen eingesetzt werden sollen. Ist es nicht die revolutionär- marxistische, dann ist es eben eine andere Partei, die die Kraft des Proletariats gebraucht, um ihre besonderen Pläne und Absichten durchzuführen. Wer von diesem Gesichtswinkel aus die Dinge sieht, kann zu keinem anderen Schluss kommen als:

Ohne die Führung der Partei kein Sozialismus.

Von diesem Standpunkt aus erscheinen die Arbeiterräte als neue Organe des Proletariats, in denen man die Führung erobern muss; sie müssen zum Instrument in der Hand der Führung werden, um so auf das Denken und Handeln der Massen einzuwirken. In diesem Geiste werden die Arbeiterräte auch in den Thesen gesehen und umschrieben.

Aber die Kraft, die von den Arbeiterräten ausgeht, kam gerade auf umgekehrtem Wege zu Stande. Es war der in den Betrieben und Massenversammlungen geborene Massenwille, der Abgeordnete und Delegierte aus der Masse als Sprecher emporhob, jeden Augenblick bereit, mit den äußersten Mitteln für sie einzustehen. Dieser Massenwille formte sich bis jetzt nur noch im Zusammenhang mit ein paar ganz allgemeinen Problemen, deren Auflösung schließlich niemand aus dem Wege gehen konnte. So war der Wille der Massen in Russland im Jahre 1917 und in Deutschland 1918 auf die Beendigung des Krieges gerichtet. Der Krieg musste, koste es was es wolle, beendet werden; alle Bedenken dagegen, künstliche, anerzogene und in den Massen selbst wurzelnde, wurden schließlich beiseite gesetzt. So bildete sich überall der allgemeine Wille, dem Kriege ein Ende zu machen und dafür den Kampf gegen die militärische Macht des eigenen Landes aufzunehmen. Die Arbeiter- und Soldatenräte waren nur die organisatorische Form, worin sich dieser Wille in Handeln umsetzte. So sind die Arbeiterräte nur möglich als Ausdruck und organisatorische Form des Wollens breiter Arbeitermassen, wobei man nicht aus dem Auge verlieren darf, dass ein solches Wollen sich nur unter bestimmten Voraussetzungen bildet und sicher nicht durch die Parolen dieser oder jener Partei hervorgerufen wird.

Wenn nun die „Revolutionär Marxistische Partei“ nach der Führung in den Arbeiterräten strebt, dann geht sie den umgekehrten Weg. Sie will diese Organe des Massenwillens als Mittel gebrauchen, um die Massen nach dem Willen und den Plänen der „Führer“ handeln zu lassen. Der Führer aber kann die Masse nur als Material sehen, mit dem er arbeiten muss, und dabei ist der selbständige Massenwille ein feindliches Element (7).

Darum sind die Arbeiterräte unter der Führung einer Partei ihrer eigenen Kraft beraubt, und wenn sie weiterleben, so nur durch Betrug; d.h., wenn sie die Tatsache, dass sie Instrument in den Händen der Führer geworden sind, vor den Massen verschleiern. Das war auch das Schicksal der Arbeiterräte in Russland und Deutschland, nachdem das erste Ziel, die Beendigung des Krieges erreicht und bezüglich der Neugestaltung der Gesellschaftsordnung die Meinungen auseinander gingen, – ein einheitlicher Wille bei den Arbeitermassen also nicht mehr vorhanden war.

Sie wurden von den miteinander konkurrierenden Parteirichtungen „erobert“, verloren gar bald ihren Einfluss auf die Arbeitermassen und haben darum auch keinen Wert mehr für die Parteipolitik der Führer. Sie sind verschwunden. Nur in den Plänen der „revolutionär-marxistischen“ Parteien, die sich darauf vorbereiten, bei der kommenden Massenerhebung die Führung zu erobern, leben sie fort als Organe, wodurch man die Massen zu führen gedenkt.

Und doch ist der Geist, der in den revolutionären Arbeiterräten zum Ausdruck kam, nicht tot. Liegt doch das Wesentliche darin, dass die Arbeiter in diesen Organen die Zusammenfassung ihrer Klassenkräfte finden, die Überwindung ihrer Gespaltenheit in Gewerkschaften, Parteien, Richtungen. Wenn die Arbeiter im täglichen Klassenkampf diese Einheit finden; durch spontan gebildete Organe selbst den Kampf führen unter Beiseitesetzung der alten, sie untereinander trennenden Organisationen, dann ist der Geist der revolutionären Arbeiterräte wieder in den Arbeitermassen, dann offenbaren die Massen ihren Willen.

In den heutigen Kämpfen sehen wir immer wieder die Ansätze zu diesem Klassenhandeln, aber wir sehen auch zugleich die bis jetzt fast immer gelungenen Versuche der alten Arbeiterbewegung, die Leitung des Kampfes des entreißen, um diese in die Gewerkschaftsbüros zu verlegen. So wie die „kommunistische“ Wirtschaft der Führer sich über den Umweg des staatlichen Beamtenapparates vollziehen soll, so soll auch die Leitung des Kampfes der direkten Verfügungsgewalt der Arbeiter entzogen und über den Gewerkschaftsapparat umgeleitet worden.

Aber die Macht der herrschenden Klasse im Kapitalismus ist so gewaltig groß, dass nur die Macht der ganzen ungeteilten Arbeiterklasse sie zu überwinden vermag.

So sagen uns die Klassenverhältnisse, dass die Arbeiter nur siegen können, wenn sie die alte Arbeiterbewegung durch ihre Räteeinheit überwunden haben, dass sie nur siegen können, wenn die „gesetzgebende und ausführende Gewalt“ in den Kämpfen von der Masse selbst ausgeübt wird.

Die revolutionäre Losung des Proletariats war im Jahre 1918 in Deutschland:

Alle Macht den Arbeiterräten.

Diese Losung hat aber nur dann einen Sinn, wenn die Macht der Räte der Ausdruck ist von dem einheitlichen Willen breiter Arbeitermassen, ja, von der ganzen Arbeiterklasse. Einheit im Willen und Handeln der ganzen Arbeiterklasse, das ist der Boden auf dem die Macht der Arbeiterräte erwächst. Hierfür genügt es nicht, wenn breite Massen in äußerster Not an einem untragbaren Zustand durch eigenes Handeln ein Ende machen. So handelten sie 1918 und erzwangen nur die Beendigung des Krieges. Es muss der positive Wille zur Umformung der Gesellschaft, zur Neuregelung der Beziehungen der Menschen in dieser Gesellschaft hinzukommen.

Für das Eine, den untragbaren Zustand, sorgt die kapitalistische Gesellschaft selbst. Die Lebenslage der Arbeiterklasse wird immer unhaltbarer; die Lohnarbeit wird für eine stets wachsende Millionenmasse zum Fluch, zum Schrecken, dem man nicht entrinnen kann. Die Lage spitzt sich schließlich so zu, dass in breiten Massen der Wille geboren wird, diesen unhaltbaren Zustand zu beenden, koste es was es wolle. Aber sie können ihn nicht beenden ohne zugleich die Lohnarbeit aufzuheben. Auch der Staatssozialismus der Führer bringt keine Rettung, denn er lässt die Lohnarbeit, durch die Staatsmacht aufs neue organisiert, fortbestehen. Darum muss zu dem Handeln unter dem Zwang der äußersten Not die bewusste Umgestaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse hinzukommen. Das Beenden des Notzustandes und die Neuordnung der gesellschaftlichen Verhältnisse ist eine Tat, es sind nur zwei Seiten einer und derselben Handlung. Aus dem unhaltbaren Zustand für die Arbeitermassen, die als Lohnarbeiter der absoluten Verelendung preisgegeben sind, gibt es nur diese eine Rettung, dass die Lohnarbeiter selbst die Produktionsmittel in Besitz nehmen. Aber sie können das nur, wenn sie vereinigt in den Räten zur gesellschaftlichen Macht werden und zugleich gemeinsam, d.h. auf kommunistischer Grundlage, die Produktionsmittel für den gesellschaftlichen Bedarf anwenden.

Kommunistische Wirtschaft

Die Rätemacht hebt die Lohnarbeit auf, sie macht den Arbeiter zum bestimmenden Faktor in der Produktion. Ihre Aufgabe ist, die Befreiung der Arbeiterklasse zu verwirklichen, indem sie die Lohnarbeiter zu freien und gleichen Produzenten macht. Aber diese freien und gleichen Produzenten müssen ihre Beziehungen zu einander regeln. Die feste Regelung dieser Beziehungen, wodurch die Gleichheit und damit auch die Freiheit der Produzenten gewährleistet wird, zum alles beherrschenden Gesetz geworden, das ist schließlich die eherne Grundlage, auf der die kommunistische Gesellschaft ruht.

Diese Regelung aber ist nichts anderes als das Regeln des Stoffwechselprozesses in der Gesellschaft, – die Regelung von Produktion und Konsumtion, von Teilnahme des einzelnen Produzenten an der Gütererzeugung und seines Verbrauchs der gemeinsam erzeugten Güter. Und, wo die Arbeit des einzelnen Produzenten zugleich seine Teilnahme an der gemeinschaftlichen Gütererzeugung ist, kann es nichts anders sein, als dass diese Arbeit auch über seinen Anteil an den erzeugten Gütern entscheidet. Die Arbeit, nach der Zeit ihrer Tätigkeit gemessen, die Arbeitsstunde, muss als gesellschaftliches Maß die Beziehungen der Produzenten untereinander regeln. Die individuelle, besondere Arbeitsstunde des einzelnen Produzenten aber ist kein gesellschaftliches Maß, sie ist in jedem Falle und immer wieder aufs neue verschieden. Darum muss die gesellschaftlich-durchschnittliche Arbeitsstunde, das Mittelmaß von allen verschiedenen Arbeitsstunden, gefunden und zum gesellschaftlich-regelnden Faktor erhoben werden.

Es ist unmöglich, an dieser Stelle die Bewegung des kommunistischen Wirtschaftslebens auf der Grundlage der gesellschaftlich-durchschnittlichen Arbeitsstunde näher darzustellen. Man lese dazu: „Grundprinzipien kommunistischer Produktion und Verteilung“ – Ausgabe der g.i.c. Wir beschränken uns, auf die Durchführung der Arbeitszeitrechnung in der kommunistischen Wirtschaft als direktes Ziel hinzuweisen, und betrachten sie also nicht als etwas, das „sich später finden wird“.

Die ökonomische Förderung der Arbeitszeitrechnung drückt sich politisch aus in dem Beherrschen der Gesellschaft durch die Arbeiter. Das eine ist nicht ohne das andere. Ist die Arbeiterklasse nicht imstande, die Arbeitszeitrechnung durchzuführen, dann heißt das nichts anderes, als dass sie nicht imstande ist, die Lohnarbeit aufzuheben; nicht imstande ist, die Leitung und Verwaltung des gesellschaftlichen Lebens an sich zu reißen. Wird die Arbeitszeit nicht das Maß des individuellen Konsums, dann ist Lohnarbeit die einzige Lösung. Das heißt: Es gibt dann kein direktes Verhältnis zwischen den Produzenten und dem gesellschaftlichen Reichtum. Es bedeutet, dass durch den Arbeitslohn die Trennung des Arbeiters vom gesellschaftlichen Produkt zur Tatsache geworden ist. Oder die selbe Sache mit anderen Worten gesagt: Die Leitung des Produktionsprozesses kann nicht in den Händen der Arbeiter liegen. Die Leitung des Produktionsprozesses geht über auf die „Statistiker“ und andere Wissenschaftler, die mit der Verteilung des „Volkseinkommens“ belastet werden. Entweder Aufhebung der Lohnarbeit, mit der gesellschaftlich-durchschnittlichen Arbeitsstunde als Drehpunkt der ganzen Wirtschaft, unter Selbstverwaltung aller Arbeitenden, oder Lohnarbeit im Dienste des Staates.

Darum erheben wir als direkte Losung der Arbeitermacht: Die Arbeiter bringen alle gesellschaftliche Funktionen unter ihre direkte Verwaltung. Sie ernennen alle Funktionäre und setzen sie ab. Die Arbeiter nehmen die gesellschaftliche Produktion in eigene Bewirtschaftung durch Zusammenschließung in Betriebsorganisationen und Arbeiterräten. Sie selbst schalten ihren Betrieb bei der kommunistischen Wirtschaft ein, indem sie ihre Produktion nach der gesellschaftlich-durchschnittlichen Arbeitszeit berechnen. Damit geht die ganze Gesellschaft zur kommunistischen Produktion über. Es gibt also nicht Betriebe, die „reif“ sind für gesellschaftliche Bewirtschaftung, und Betriebe, die noch nicht „reif“ sind.

Das ist das politische und zugleich wirtschaftliche Programm der Lohnarbeiter; in diesem Sinne werden ihre Räte die Wirtschaft umgestalten. Es sind die höchsten Forderungen, die wir in diesen Fragen stellen können, aber es sind zugleich auch die niedrigsten, weil es sich handelt um das Sein oder Nicht-Sein der proletarischen Revolution.

Thesen über den Kampf um die Arbeiterräte

Hier folgen noch einmal die Thesen. Wir empfingen sie aus Prag. Sie sind, wie „Neue Front“ Nr. 20 berichtet, herausgegeben unter dem Titel „Revolutionärer Marxismus und sozialistische Revolution“ von einer Gruppe revolutionäre Marxisten, „die organisatorisch der deutschen Sozialdemokratie angehört“.

1. Die Erfahrungen aller Revolutionen der Kriegs- und Nachkriegszeit haben gezeigt, dass eine reformistische und opportunistische Politik zur Niederlage der Arbeiterklasse führt. Die Vorbereitung der sozialistischen Revolution, die Erkämpfung des Sieges in der sozialistischen Revolution und seine Sicherung setzen deshalb den radikalen Bruch mit aller reformistischen Politik voran.

2. Dieser radikale Bruch erfordert eine grundlegende Änderung in den Mitteln und Methoden des politischen Kampfes und in seinen konkreten Zielsetzungen.
Als Zeichen der inneren Wandlung und als Bekenntnis zum revolutionären Marxismus muss die Partei ihren alten Namen s.p.d. ablegen und in eine revolutionär marxistische Partei aufgehen.

3. Das Ziel ist die Erkämpfung des Sozialismus auf dem Boden einer sozialistischen deutschen Räte-Republik, die von der Diktatur des Proletariats beherrscht wird. Die revolutionäre Diktatur ist die notwendige Übergangsperiode zur sozialistischen Gesellschaft. Die Vernichtung des kapitalistischen Systems durch die Diktatur des Proletariats ist die Voraussetzung für die Verwirklichung der persönlichen und geistigen Freiheit aller vom Faschismus unterjochten Menschen.

4. Zur Führung dieses Kampfes bedarf das Proletariat einer zielklaren revolutionären Partei. Diese Partei kann und darf nur die revolutionäre Avantgarde des Proletariats erfassen. Mitglied kann deshalb nur werden, wer sich im revolutionären Kampfe bewährt, sich zur Diktatur des Proletariats bekennt und den Beschlüssen der Partei bedingungslos unterordnet. Die Partei bedient sich aller legalen und illegalen Kampfesformen. Sie ist verpflichtet, Massenbewegungen, Massenstreiks und den bewaffneten Aufstand vorzubereiten und zu organisieren.

5. Im Falle eines Krieges lehnt die Partei jede offene oder verschleierte Form der „Vaterlandesverteidigung“ ab. Sie fordert vielmehr das Proletariat auf, mit ihr den imperialistischen Krieg in einen Bürgerkrieg umzuwandeln, um die Diktatur des Proletariats zu verwirklichen. Mittel dazu sind u.a. Massenstreiks und bewaffneter Aufstand.

6. Nach der Eroberung der politischen Macht wird der alte Staatsapparat von Grund auf zerstört. Alle Machtbefugnisse gehen über auf Arbeiterräte, Kleinbauern- und Landarbeiter-Räte. Die Räte üben die Diktatur des Proletariats aus. Die Führung in der Diktatur liegt bei der Revolutionär-Marxistischen Partei.

7. Die Sicherung der Macht übernimmt bis zur Schaffung einer sozialistische Armee das bewaffnete Proletariat.

8. Das Berufsbeamtentum wird abgeschafft. Alle in öffentlichen Diensten stehenden Personen werden durch die Räte ernannt und können jederzeit abberufen werden.

9. Zur Unterstützung der revolutionären Diktatur organisieren sich Arbeiter und Angestellte in Industrieorganisationen.

10. Druckereien und Zeitungen werden beschlagnahmt. Druckerzeugnisse, Rundfunk und jede andere Art von Nachrichtendienst stehen unter der Aufsicht und Kontrolle der Räte.

11. Das gesamte kapitalistische Eigentum wird entschädigungslos enteignet: Es wird die allgemeine Arbeitspflicht und die Kontrolle der Produktion durch die Räte eingeführt.

12. Alle Banken werden zu einer Zentralbank zusammengeschlossen. In gleicher Weise erfolgt der Zusammenschluss aller Versicherungsunternehmungen.

13. Landwirtschaftliche Hypotheken werden sofort für nichtig erklärt. Der Pachtzins wird abgeschafft. Grundbesitz, soweit er eine Familienackernahrung überschreitet, wird entschädigungslos enteignet. Nach den Bedürfnissen der Kleinbauern und Landarbeiter erfolgt eine Neuverteilung des Bodens. Die Bauernwirtschaften werden in Genossenschaften zusammengeschlossen. Wo die Voraussetzungen gegeben sind, werden landwirtschaftliche Muster-Großbetriebe errichtet.

14. Zur Sicherung der Volksernährung erfolgt der obligatorische Zusammenschluss aller Konsumenten. Der gesamte Kleinhandel wird in das Verteilungssystem der Räterepublik eingeordnet.

15. Der Außenhandel wird durch die Errichtung eines Außenhandelsmonopols zentralisiert.

16. Der Aufbau der sozialistischen Wirtschaft erfolgt unter Leitung einer Planwirtschaftsstelle.

17. Die Kultur-, Bildungs- und Unterhaltungseinrichtungen werden gemeinnützig verwaltet. Kunst und Wissenschaft unterstehen der Obhut des Staates, der ihnen weiteste Förderung zuteil werden lässt. Pädagogisches Ziel aller Bildungsstätten ist die Erziehung zur sozialistischen Gemeinschaft.


Anmerkungen

1. Wir bringen die Thesen für Leser, die Nr. 2 nicht in Händen haben, am Schluss dieses Artikels erneut zum Abdruck.

2. „Der Sozialismus ist nichts anderes als der nächste Schritt vorwärts von dem staatskapitalistischen Monopol. Oder so: Der Sozialismus ist nichts anderes als ein staatskapitalistisches Monopol, eingestellt zum Nutzen des ganzen Volkes und insofern kein kapitalistisches Monopol mehr.“ Lenin – „Die drohende Katastrophe […]“ (S. 40).

3.  „Man muss die Arbeit auf eine neue Weise organisieren, neue Formen der Heranziehung zur Arbeit, der Unterordnung unter die Arbeitsdisziplin herausbilden.“
„Die neue Aufgabe ist die Organisierung der Industrie und in erster Linie der eigenen Kräfte.“ Lenin – auf dem Allrussische Rätekongress – 6. Nov. 1918.

4.  „Die Umstellung der Industrie auf das Prinzip der Rentabilität erfordert die volle Ausnutzung […] aller Elemente der Produktion und der Leistungsfähigkeit der Arbeiter […]“ („Die Rolle und die Aufgaben der Gewerkschaften unter den Bedingungen der Neuen Ökonomischen Politik“ – Thesen der k.p.d., Nr. 8).
„Es gibt keine andere Grundlage (für die Organisierung der Industrie – Rätekorrespondenz) als die Verwendung von Millionen Menschen nach einem im voraus ausgearbeiteten Plan […]“ (Rede an 6. November 1918 auf dem 6. Allrussische Rätekongress – Lenin – Werke, Band XV).

5.  „Ein solcher Erfolg (bei der Wiederherstellung der Großindustrie – Rätekorrespondenz) aber erfordert einerseits, bei der gegenwärtigen Lage Russlands, unbedingt die Konzentrierung der ganzen Machtfülle in den Händen der Betriebsleitungen. Diese Leitungen, die in der Regel auf dem Prinzip der Einzelverantwortung aufgebaut sind, müssen selbständig verfügen über die Höhe der Arbeitslöhne, die Verteilung von Geldzeichen, Rationen, Berufskleidung und aller sonstigen Versorgungsmittel […]“ (Gewerkschaften unter der n.e.p. – These 6).

6. „Dieser Umstand, im Zusammenhang mit der Notwendigkeit, die Arbeitsproduktivität zu erhöhen, jeden Betrieb defizitlos und rentabel zu gestalten, […] erzeugt unausbleiblich eine gewisse Gegensätzlichkeit der Interessen in den Fragen der Arbeitsbedingungen im Betriebe zwischen der Arbeitermasse und den leitenden Direktoren der Betriebe, bzw. den Ressorts, denen sie unterstellt sind.“ (Ebenda, These 3).

7. „ […] jede maschinelle Großindustrie – d.h. eben die materielle Produktionsquelle und das Fundament des Sozialismus – (erfordert) die bedingungslose und strengste Einheit des Willens […], der die gemeinsame Arbeit von Hunderten, Tausenden und Zehntausenden von Menschen lenkt […] Aber wie kann die strengste Einheit des Willens gesichert werden? Durch Unterordnung des Willens unter den Willen eines einzigen.
Diese Unterordnung kann bei idealer Erkenntnis und Diszipliniertheit der an der allgemeinen Arbeit Beteiligten mehr an die linde Leitung eines Orchester-Dirigenten erinnern. Sie kann die scharfen Formen eines Diktatorentums annehmen, – wenn keine ideale Diszipliniertheit und Erkenntnis vorhanden sind. Aber, so oder anders, ist die widerspruchslose Unterordnung unter einen einzigen Willen für den Erfolg der Arbeitsprozesse, die nach dem Typus einer maschinellen Großindustrie organisiert sind, unbedingt notwendig […] heute […] fordert dieselbe Revolution, und zwar im Interesse des Sozialismus die widerspruchslose Unterordnung der Massen unter den einheitlichen Willen der Leiter des Arbeitsprozesses […] (Es ist) die Aufgabe der Partei der Kommunisten […] sie (die Masse) […] auf den Weg der Arbeitsdisziplin, auf den Weg der Übereinstimmung von Beschlüssen der Sitzung der Arbeiterräte über die Arbeitsbedingungen mit den Aufgaben der unweigerlichen Unterordnung unter den Willen des Sowjet-Leiters, eines Diktators, während der Arbeit zu führen.“
(Lenin – „Die nächsten Aufgaben der Sowjet-Macht“).


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Compiled by Vico, 29 November 2020


























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