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Antonie Pannekoek Archives

Rätekorrespondenz

Quelle: a.a.a.p.


Rätekorrespondenz

Internationale Rätekorrespondenz 1934-1937 / Gruppe Internationaler Kommunisten (Holland). – Transkribiert und herausgegeben für Rätekommunismus ; Mitarbeit von der Association Archives Antonie Pannekoek, Dezember 2020, 504 S., € 13,16, ISBN 979-8551636052


Thesen über den Kampf um die Arbeiterräte, 1934


Quelle:  Thesen über den Kampf um die Arbeiterräte. – In: Internationale Rätekorrespondenz : Theoretisches und Diskussionsorgan für die Rätebewegung  – Ausg[abe]. der Gruppe Int[ernationaler]. Kommunisten, Holland. – 1934, Nr. 2; Quelle der Transkription: Rätekommunismus ,, Dezember 2020, Mitarbeit von der Association Archives Antonie Pannekoek.


Wir empfingen aus Prag die folgenden Thesen über den Kampf um die Arbeiterräte. Es sind wahrscheinlich Thesen von s.p.d.- oder auch s.a.p.-Anhängern, die im Begriffe sind, sich revolutionär zu orientieren, aber die alte Liebe zur s.p.d. nicht aufgeben können.
Wir geben diese Thesen wieder, weil jedenfalls daraus zu sehen ist, dass man selbst in diesen Kreisen einsieht, dass man auf die Arbeiterräte angewiesen ist.
In Nr. 4 der Räte-Korrespondenz (in Nr. 3 ist kein Raum mehr) bringen wir eine kritische Auseinandersetzung mit diesen Thesen.
g.i.k.


1. Die Erfahrungen aller Revolutionen der Kriegs- und Nachkriegszeit haben gezeigt, dass eine reformistische und opportunistische Politik zur Niederlage der Arbeiterklasse führt. Die Vorbereitung der sozialistischen Revolution, die Erkämpfung des Sieges in der sozialistischen Revolution und seine Sicherung setzen deshalb den radikalen Bruch mit aller reformistischen Politik voraus.

2. Dieser radikale Bruch erfordert eine grundlegende Änderung in den Mitteln und Methoden des politischen Kampfes und in seinen konkreten Zielsetzungen.

Als Zeichen der inneren Wandlung und als Bekenntnis zum revolutionären Marxismus muss die Partei ihren alten Namen s.p.d. ablegen und in eine revolutionär marxistische Partei aufgehen.

3. Das Ziel ist die Erkämpfung des Sozialismus auf dem Boden einer sozialistischen deutschen Räte-Republik, die von der Diktatur des Proletariats beherrscht wird. Die revolutionäre Diktatur ist die notwendige Übergangsperiode zur sozialistischen Gesellschaft. Die Vernichtung des kapitalistischen Systems durch die Diktatur des Proletariats ist die Voraussetzung für die Verwirklichung der persönlichen und geistigen Freiheit aller vom Faschismus unterjochten Menschen.

4. Zur Führung dieses Kampfes bedarf das Proletariat einer zielklaren revolutionären Partei. Diese Partei kann und darf nur die revolutionäre Avantgarde des Proletariats erfassen. Mitglied kann deshalb nur werden, wer sich im revolutionären Kampfe bewährt, sich zur Diktatur des Proletariats bekennt und den Beschlüssen der Partei bedingungslos unterordnet. Die Partei bedient sich aller legalen und illegalen Kampfesformen. Sie ist verpflichtet Massenbewegungen, Massenstreiks und den bewaffneten Aufstand vorzubereiten und zu organisieren.

5. Im Falle eines Krieges lehnt die Partei jede offene oder verschleierte Form der „Vaterlandsverteidigung“ ab. Sie fordert vielmehr das Proletariat auf, mit ihr den imperialistischen Krieg in einen Bürgerkrieg umzuwandeln, um die Diktatur des Proletariats zu verwirklichen. Mittel dazu sind u.a. Massenstreiks und bewaffneter Aufstand.

6. Nach der Eroberung der politischen Macht wird der alte Staatsapparat von Grund auf zerstört. Alle Machtbefugnisse gehen über auf Arbeiterräte, Kleinbauern- und Landarbeiter-Räte. Die Räte üben die Diktatur des Proletariats aus. Die Führung in der Diktatur liegt bei der Revolutionär-Marxistischen Partei.

7. Die Sicherung der Macht übernimmt bis zur Schaffung einer sozialistischen Armee das bewaffnete Proletariat.

8. Das Berufsbeamtentum wird abgeschafft. Alle in öffentlichen Diensten stehenden Personen werden durch die Räte ernannt und können jederzeit abberufen werden.

9. Zur Unterstützung der revolutionären Diktatur organisieren sich Arbeiter und Angestellter in Industrieorganisationen.

10. Druckereien und Zeitungen werden beschlagnahmt. Druckerzeugnisse, Rundfunk und jede andere Art von Nachrichtendienst stehen unter der Aufsicht und Kontrolle der Räte.

11. Das gesamte kapitalistische Eigentum wird entschädigungslos enteignet: Es wird die allgemeine Arbeitspflicht und die Kontrolle der Produktion durch die Räte eingeführt.

12. Alle Banken werden zu einer Zentralbank zusammengeschlossen. In gleicher Weise erfolgt der Zusammenschluss aller Versicherungsunternehmungen.

13. Landwirtschaftliche Hypotheken werden sofort für nichtig erklärt. Der Pachtzins wird abgeschafft. Grundbesitz, soweit er eine Familienackernahrung überschreitet, wird entschädigungslos enteignet. Nach den Bedürfnissen der Kleinbauern und Landarbeiter erfolgt eine Neuverteilung des Bodens. Die Bauernwirtschaften werden in Genossenschaften zusammengeschlossen. Wo die Voraussetzungen gegeben sind, werden landwirtschaftliche Muster-Großbetriebe errichtet.

14. Zur Sicherung der Volksernährung erfolgt der obligatorische Zusammenschluss aller Konsumenten. Der gesamte Kleinhandel wird in das Verteilungssystem der Räterepublik eingeordnet.

15. Der Außenhandel wird durch die Errichtung eines Außenhandelsmonopols zentralisiert.

16. Der Aufbau der sozialistischen Wirtschaft erfolgt unter Leitung einer Planwirtschaftsstelle.

17. Die Kultur-, Bildungs- und Unterhaltungseinrichtungen werden gemeinnützig verwaltet. Kunst und Wissenschaft unterstehen der Obhut des Staates, der ihnen weiteste Förderung zu Teil werden lässt. Pädagogisches Ziel aller Bildungsstätten ist die Erziehung zur sozialistischen Gemeinschaft.


Compiled by Vico, 26 November 2020